Frauen denken, forschen und interpretieren anders

 

Weibliche Forscherinnen stehen der patriarchalen Wissenschaft meist skeptisch gegenüber, zum Beispiel gerade wenn es um die fabulöse Jägerei und die Waffen der Steinzeit geht. Zweifel sind angebracht. Die amerikanische Archäologin Olga Soffer untersuchte beispielsweise die berühmten Mammut-Knochen-Berge in Dolni Vestonice, die allzu gerne als Beweis für die Mammut-Jägerei genannt werden und stellte fest, dass diese Knochen nicht die Abfälle einer exzessiven Jägergesellschaft waren, sondern über Jahrhunderte gesammeltes Material, das wahrscheinlich aus einem sogenannten ›Mammutfriedhof‹ stammte und von den dortigen Menschen für den Bau von hüttenähnlichen Unterständen und die Herstellung von Werkzeugen und Schmuck gesammelt wurde. Auf die Frage, wie die Archäologen trotz aller widersprüchlichen Funde das Bild vom mächtigen Macho-Jäger basteln und so lange aufrechterhalten konnte, antwortete Olga Soffer, es sei verständlich, dass Archäologen, die traditionellerweise Männer sind, dieser Vergangenheit eben ihre Weltsicht aufgedrückt haben (›Der Spiegel‹ 15/1998, S. 200 ff.).
Aus nicht vorhandenen Beweisen für die Jagd in der Altsteinzeit auf eine ganze Epoche – auf Hunderttausende, ja auf 2 Millionen Jahre – zu schließen, die durch die ›Großen Jäger‹ dominiert worden sein sollen, wie dies der Archäologe und Ausgräber von Göbekli Tepe, Klaus Schmidt, behauptet, ist inakzeptabel. (s. ›Die Mär von den ›Großen Jägern‹ – Die patriarchale Erfindung der Helden der Steinzeit‹)
Die Autoren des ›Bildatlas der Archäologie‹ konstatierten bereits 1991: »Bis vor Kurzem glaubten Anthropologen und Prähistoriker, der menschliche Entwicklungsprozess wäre an die Entfaltung der jägerischen Talente geknüpft, und die ersten von Menschen gefertigten Objekte seien deshalb Waffen oder Werkzeuge zur Waffenherstellung gewesen. 1981 lehnten amerikanische Anthropologen diese Theorie jedoch ab, weil sie offensichtlich eine typisch abendländische Denkweise widerspiegelt, nach der der Mann auf Kosten der ›anderen Hälfte der Menschheit‹ eine dominierende Rolle spielte. N. Tanner zum Beispiel behauptete, nicht der ›Mann und Jäger‹, sondern die ›Frau und Sammlerin‹ sei für die Aufwärtsentwicklung der Menschheit verantwortlich.« Tanner hatte nämlich aufgrund ihrer Studien festgestellt, dass die ersten Hominiden, die mit Werkzeugen umgingen, Weibchen in Begleitung ihrer Jungen waren.« (Nancy Makepeace Tanner ›On Becoming Human‹ 1981, zit. im Bildatlas 1991, S. 30) Offensichtlich muten Wissenschaftler ihren urgeschichtlichen Geschlechtsgenossen lediglich und ausschließlich Jagen, Töten und Kopulieren zu, während die Frauen, wie wir heute wissen, eine reiche Kultur schufen. »Wenn wir die Frage nach der weiblichen Lebensweise in den Mittelpunkt der Forschung rücken, schrumpfen die paläolithischen Jäger, Hirten oder Krieger zu einem theoretischen Begriff.« (Weiler ›Der aufrechte Gang der Menschenfrau – Eine feministische Anthropologie II‹ 1994, S. 81) Bedauerlich, dass längst überholte patriarchale Theorien durch ständiges Wiederholen zu unumstößlichen Tatsachen gemacht  und noch immer geglaubt und verbreitet werden, als ob die Stichhaltigkeit dadurch bestätigt würde. Forschungen von Frauen, die neue Ansätze, neue Ideen, neue Ergebnisse und zusätzliche Erkenntnisse, einen kritischeren Umgang mit der Urgeschichte statt der Anpassung an patriarchale Normen veröffentlichen, sind unerwünscht und werden bekämpft und abgewertet, wie z.B. Marija Gimbutas oder ignoriert wie Gerda Weiler. Frauen wird ganz allgemein von Männern, denen es an wissenschaftlicher Kompetenz fehlt, die wissenschaftliche Kompetenz abgesprochen; einfach darum, weil sie Frauen sind. Patriarchale Männer sind meist sexistisch und rassistisch; sie würden beispielsweise nie ein Buch von einer Frau oder einem Schwarzen lesen. So bleibt ihnen das patriarchale Brett vor dem Kopf erhalten.

›Erkenntnisse, die den patriarchalen Allmachtstraum gefährden, werden totgeschwiegen und verdrängt.‹ (Weiler 1994, S. 29)

Die zahlreichen Tierdarstellungen der Steinzeit verehren die Göttin als Schöpferin der Tiere. Sie sind ebenso wie die Menschen ihre Geschöpfe, die im Verständnis der damaligen Zeit mit Sicherheit nicht zur Jagd bestimmt waren; Jagen und Töten waren bis in die patriarchale Zeit tabu und niemals heilig. Das Gebot ›Du sollst nicht töten‹, betraf auch die Tiere und stammt offensichtlich aus der matriarchalen Kultur. Auch Haustiere wurden nicht getötet. Die Kuh war das heilige Tiere der ägyptischen Göttin Isis. »Es kann deshalb nicht überraschen, dass den Ägyptern der Genuss von Kuhfleisch noch in späteren Zeiten ebenso verabscheuungswürdig erschien wie Kannibalismus. Kühe wurden niemals geopfert« (W. Robertson Smith ›Die Religion der Semiten‹ Freiburg 1899, S. 231). Auch nicht die ursprünglich heilige Muttersau, das Symboltier der Göttin Nut, die ihre Jungen säugt. Die Volksüberlieferung bezeugt, dass das Leben des Schweines und Schafes, vor allem aber des Rindes seit alters her als heilig galt (Smith S. 232). Zwar behauptet Helck: »Sicher [!] ist auch das Schwein gegessen worden, jedoch fehlt dafür jeder Hinweis.« (LÄ, I, 1268) Wie kann man nur so eine vernunftwidrige, unsachliche Behauptung aufstellen? Schweine wurden als intelligente Haustiere gehalten, nicht zum Gegessen werden, sondern zum Einstampfen der Saat und als Alles­fresser, die für Hygiene sorg­ten und giftige Schlangen von den Besiedlungen fernhielten. Die ursprüngliche Heiligkeit der Muttersau als sakrales Tier der Göttin, dürfte der wahre Grund sein, warum das Essen von Schweinefleisch bei den Juden und den Moslems bis heute tabu bleibt.

Die Göttin symbolisierte in ihren sämtlichen Erscheinungsformen die Einheit allen Lebens in der Natur. Ihre Macht wohnte dem Wasser, den Steinen, den Grotten und Höhlen, Säugetieren und Vögeln, Schlangen und Fischen, Bergen, Bäumen und Blumen inne. (Marija Gimbutas ›Die Sprache der Göttin‹ 1995 S. 321).


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