Das Matriarchat in Alt-Europa

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»Die Reise in den Kaukasus führt zurück in die Ursprünge unserer Geschichte. Hier, so heißt es, kann das Geheimnis des prähistorischen Europas entschlüsselt werden.« Dies verspricht der Begleittext zum Film  ›Zwischen Europa und Asien‹ der uns in den Kaukasus führt (arte TV vom 21.6.2010): »Denn unter den Ruinen der mittelalterlichen Burganlage von Dmanisi in Georgien entdeckten Archäologen vor wenigen Jahren erstmals Spuren, die den Kaukasus zum Schauplatz einer schicksalhaften Grenzüberschreitung machten. David Lordkipanidze, Paläontologe und Leiter der Ausgrabungen, präsentiert die Schädel der ältesten ›Europäer‹, unter anderem den einer 13-Jährigen, die hier vor 1,8 Millionen Jahren auf ihrer Wanderung von Afrika nach Eurasien gestorben ist.

In einer bahnbrechenden, interdisziplinären Arbeit erforschte Marija Gimbutas die steinzeitliche Kultur des Alten Europa. Neben ihrem Spezialgebiet, der Archäologie umfassten ihre Studien Anthropologie, Mythologie, Folklore, Ethnologie, Sprache und Religionsgeschichte; was ihr bei ihren Recherchen ebenfalls zugute kam war, dass sie 13 europäische Sprachen beherrschte. Sie stellte eine herrschaftsfreie, gleichberechtigte und friedliche Kultur vom Paläolithikum bis zum Neoli­thi­kum fest, die mit der Erfindung der Keramik zu großer Blüte gelangte.

Hier tritt auch die früheste Religion seit Menschengedenken, die Verehrung der Göttin, deutlich zu Tage. »Um 6500 war die Grundlage für die Entstehung tausender von Statuetten und Gefäßen, Tempeln und ihrer Miniaturmodelle, Wandmalereien, Reliefs und Kultgegenständen aller Art geschaffen. Die Zahl der religiösen Symbole vervielfältigte sich ums Hundertfache, und es entstanden Belege in Hülle und Fülle, die eine Entschlüsselung der Ikonographie der Göttin ermöglichen« (Gimbutas, ›Zivilisation‹ 1996,222).

Es gab weder in Alt-Europa noch einer der anderen neolithischen Kul­tu­ren ein Interesse an Waffenproduktion. Es wurden weder Pferde gezüchtet, noch gab es Kampf vom Pferderücken aus. Es gab auch keine Stosswaffen, keine Dolche, Schwerter oder Speere, außer am Ende dieser Zivi­lisation, in Gegen­den, wo pferdereitende ›Kurganleute‹ [nach ihren Grabhügelgräbern, den Kurganen, benannte indoeuropäische Völker] zum ersten Mal auftauchten (Gimbutas ›Journal of Indo-European Studies‹ JIES 1985, S. 186).

Alt-Europa wurde von brandschatzenden indoeuropäischen Reiterhorden überrannt und erbarmungslos unterjocht.

In der Zeit zwischen 4300 und 3500, im späten Neolithikum und der frühen Bronzezeit, breiteten sich Gruppen der berüchtigten und gefürchteten Indo-Europäer aus der zentralasiatischen Steppe – über den Kaukasus und das iranische Hochplateau – in alle Himmelsrichtungen aus. Sie überfielen auch Alt-Europa, das in Frieden lebte und nicht indoeuropäisch war.

Alle Forschungen weisen nach, dass  die Indo-Europäer, die ursprünglich nicht patriarchal or­ganisiert waren, die Kultur Alt-Europas zerstörten. Die alteuro­päi­sche Kunst geht nach ihren Invasionen unter. Die weibli­chen Statuetten und die künstlerisch hoch stehende polychrome Töpferei verschwinden.

Im späten Bronzezeitalter ist die überwiegende Mehrheit der alteuropäischen Völker indoeuropäisiert. Marija Gimbutas betont, dass die Indoeuropäisierung durch siegrei­che militärische Eroberungen »im wesentlichen ein kultureller, nicht physischer Transformationsprozess war, im Zu­ge dessen ein neues Verwaltungssystem, eine neue Sprache und eine neue Religion einge­führt und erfolgreich auf die autochthone Bevölke­rung übertra­gen wurden. Die kriegerische Effizienz der Kurganleute wurde in ent­scheidendem Maße durch ihre straffe soziale Organisa­tion gefördert« (Gimbutas 1992,6f). Sie schreibt:

»Wir leben immer noch unter der Herrschaft  dieser aggressiven männlichen Invasion und entdecken nun unsere lange Entfremdung von dem authentischen europäischen Erbe.«

Das Schlimme daran ist, wir leben und leiden in diesem entfremdeten Zustand, von dem die patriarchale Propaganda und die patriarchalen Kleriker uns glauben machten, er sei NORMAL! Doch eine Entfremdung ist niemals normal, sondern krank!


Über Europa und Alt-Europa lesen Sie weiter im Buch ›Der Kampf gegen Weisheit und Macht der matriarchalen Urkultur Ägyptens‹ 2009, Seite 15, 21, 38, 39, 59, 204, 207, 249, 253, 260, 279, 317


 

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