Die Mär von den ›Großen Jägern‹ der Urzeit

Aus dem Inhalt:

  • Der patriarchale Mythos vom großen Jäger der Urzeit hält sich trotz aller gegenteiligen Beweise,
    wider alle Vernunft und Logik
  • Die größten Irrtümer der patriarchalen Wissenschaft betreffen die fatalen Behauptungen,
    dass es Jagd und Krieg bereits in der Urzeit gegeben habe
  • Es sind Tänzer nicht Jäger – Musikinstrumente nicht Pfeil und Bogen,
    die abgebildet und falsch interpretiert werden
  • Ein weiterer Irrtum patriarchaler Beweise für Gewalt und Krieg in der Urzeit:
    Die Silex-Pfeile
  • Das Ende der Mär von Jagd und Krieg in der Steinzeit
  • Vom Menschenaffen zum Urzeitjäger
  • Von den VegetarierInnen zu den Fleischessern
  • Fleischesser in der Urzeit?
    – eine bis heute unbewiesene Hypothese
  • Fische und Muscheln, nicht Fleisch, trugen zur Entwicklung des Gehirns bei
  • Jagd- und Krieg kommen mit den indoeuropäischen Eroberern vor 5 – 8000
    Jahren in die Welt
  • »Während 98 Prozent der Menschheitsgeschichte gab es keine Kriege!«
  • Ein auffallender Zusammenhang von Jagd und Krieg
  • Der Anfang der Jagd der Könige galt in erster Linie den sakralen Kulttieren der Großen Göttin
  • Die Jagd ist die Demonstration patriarchaler Tötungsmacht
  • Die Verharmlosung und Adelung des Tötens
  • Die vernunftwidrige Überbewertung der Jagd
  • Sprache – eine Kulturleistung von Jägern?
  • Die ›Großen Jäger‹ der Altsteinzeit sind ein Mythos
  • Die Mär unterstützt die Allmachtsphantasien des patriarchalen weißen Mannes
  • Wandmalereien und Felszeichnungen erzählen von Tanz und Festen

 

      »Männer haben zehnmal so viel Testosteron wie wir Frauen. Testosteron hilft bei der Selbstvermarktung (ob in der Politik, der Wirtschaft, der Religion oder der Wissenschaft). Testosteron bewirkt, dass Mann sich für besser hält, als Mann ist. Es ist eine biochemische Lüge, damit Mann glaubt, ein Mammut erlegen zu können, obwohl Mann es nicht kann.« (Deborah Frances, White, Comedian)

      Es war einmal…

Vor nicht allzu langer Zeit erfand ein Wissenschaftler das Märchen von den ›Großen Jägern‹ der Urzeit. Er hatte genug davon, dass die Entdeckungen, die unsere früheste Vergangenheit betrafen, fast ausschließlich Nachweise weiblicher Wichtigkeit ans Licht brachten. Es ärgerte und frustrierte ihn, dass weibliche Figürchen, Artefakte, Darstellungen und Symbole dominierten. Die tausenden in Stein gemeißelten Vulven empörten den anständigen Mann und seine Frau ebenso und die auf Felswände gravierten, lasziv hingegossenen nackten Weiber  – was für eine Schamlosigkeit – von La Magdeleine, verletzten seine tugendhafte Sittsamkeit (s. Wolf ›Felsbildkunst – Geheimnisvolle Botschaften aus der Steinzeit‹). Nicht zu reden von den unzähligen, auf der ganzen Welt gemachten Funde, von fast ausschließlich weiblichen Statuetten mit den betonten Sexdreiecken, bei denen es sich ja höchstens um Püppchen oder pornographische Sexartikel für einsame Männer handeln konnte. Was ihn am meisten aufbrachte und in den tiefsten Abgründen seiner frommen Seele verletzte, war, dass man sogar von der Dominanz einer Großen Göttin sprach; obwohl er doch wusste, dass Gott ein Mann und schon-immer ein Mann gewesen sein musste. Mann stelle sich das vor: eine Göttin – eine Frau! Undenkbar! Mit dieser unerhört tendenziösen These, welche der Frau eine derartige Bedeutung und Wichtigkeit gab, konnte und wollte er sich nicht anfreunden, sie war für ihn einfach nur empörend, ja ketzerisch. Was tun? Die Frau, die ja bekanntlich aus seiner Rippe gemacht worden war, verdankte ihm ihre Existenz und diese Frau…, also nein, das konnte nicht sein! Sie soll ›göttlich‹, ihre Urahnin gar als Göttin verehrt worden sein? Solche Ansichten, ja derart ernst gemeinte Überzeugungen schmerzten den Mann und sein bisheriges Überlegenheitsgefühl sank auf einen nie gekannten Tiefpunkt. Abscheulich, die Verderbtheit der Welt, bevor Männer endlich Schluss machten mit der Pornographie der Urzeit und die Weibsbilder auch aus der Religion eliminierten. Warum gab es aber nur so selten Hinweise auf die Wichtigkeit des heldenhaften männlichen Geschlechts? Wo blieb sie nur, die dem Mann geschuldete Reverenz? Des männlichen Gottes Ebenbild war in höchster Gefahr in tiefste Depression zu versinken. Er musste seinem Geschlecht, dem in der ganzen Steinzeit keine sichtbare Bedeutung zugekommen war, endlich Identität und Wichtigkeit verschaffen. So erfand er als Kompensation für das angeknackste Überlegenheitsgefühl gegenüber der Frau den Mythos vom Großen Mann, den Großen Jäger, den Helden der Steinzeit und  — einen der größten Bluffs aller Zeiten. Er sah ihn vor sich, den Mann, diesen Kämpfer und Sieger, wie er unerschrocken Jagd machte auf Mammuts, Säbelzahntiger, Nashörner, Nilpferde, Wildpferde und Löwen und diese seiner hungernden Sippe als Nahrung auf den Grill warf. Kurz, der Mann erfand die Mär vom tollkühnen, furchtlosen, urzeitlichen Helden, dem Jäger, der seit zwei Millionen Jahren als Ernährer und Beschützer das Überleben des Clans gesichert hatte. Nur dank ihm und seinem jägerischen Mut und Können hatte die Menschheit bis heute nicht aufgehört zu existieren. Und wenn der Erfinder dieses Märchens unterdessen auch gestorben sein mag, so lebt er doch fort, in all jenen Männern und Frauen, die sein Märchen als wahre Geschichte glauben und weiterverbreiten, indem sie ständig die Mär von den urzeitlichen ›Jägern und Sammlern‹ wiederholen…


Der Mythos vom großen Jäger der Urzeit hält sich trotz aller gegenteiligen Beweise, wider alle Vernunft und Logik

Der Mythos spielt in der patriarchalen Urgeschichtsschreibung die wichtigste Rolle. Die Erfindung vom tapferen, großen Jäger und den biederen Sammlerinnen entspricht der Sicht des patriarchalen Mannes und seinem Bedürfnis nach Größe, Großartigkeit und Dominanz über die Frau, aber nicht der urgeschichtlichen Realität. (s. Doris Wolf, das 1. Buch: Was war vor den Pharaonen 1994. Gratis Download des pdf)
Auch der kritische US-Anthropologe Richard W. Sussman zweifelt an der Richtigkeit der These vom ›Mann dem Jäger‹. Er stellte fest, dass fossile Untersuchungen zeigen, dass der Mensch eher der von wilden Tieren gejagte als ihr Jäger war. Und er hält fest, was für viele überzeugte Männer erstaunlich sein dürfte, dass der Mythos vom Mann dem Jäger erst vor kurzer Zeit erfunden wurde. Er schreibt:

»Obwohl ›Der Mann der Jäger‹ eine beliebte Beschreibung unserer Abstammung ist,
ist die zentrale Bedeutung der Jagd nur in den
archäologischen Aufzeichnungen
der relativ jungen menschlichen Geschichte fest verankert.
«

Richard Sussman hatte die Naturgeschichte der Primaten untersucht (›The Myth of Man the Hunter, Man the Killer and the Evolution of Human Morality‹ (Der Mythos vom Menschen als Jäger und Mörder und die Evolution der menschlichen Moral) Zygon. Band 34, Nr. 3, 1999). Er argumentiert, dass Primaten, einschließlich der frühesten Mitglieder der menschlichen Familie, sich nicht als Jäger, sondern als Beute einer beliebigen Anzahl von Raubtieren entwickelt haben, darunter von wilden Katzen und Hunden, Hyänen, Schlangen, Krokodilen und sogar Raubvögeln. Sussmans Buch ›Man the Hunted‹ wirft ein völlig neues Licht auf die Naturgeschichte der Primaten und die Evolution des fossilen und modernen Menschen. (Richard W. Sussman ›Man the Hunted: Primates, Predators, and Human Evolution‹ 2005 (Der Mensch als Gejagter: Primaten, Raubtiere und die menschliche Evolution). Doch wie Richard W. Sussman bemerkte, die Mär von den großen Jägern der Urzeit ist noch jung, sie entstand erst im letzten Jahrhundert. Sussmans Thesen sind aber offensichtlich noch nicht im deutschsprachigen Patriarchat angekommen, sein Wissen ist  hier nicht bekannt, wohl weil es nicht der patriarchalen Meinung in unseren Breitengraden entspricht.

Im Gegensatz zur weit verbreiteten These patriarchaler Geschichtenerfinder war Jagd im weltweiten Matriarchat der Altsteinzeit völlig unbekannt. Die Urvölker lebten im Einvernehmen mit der Natur, den Pflanzen und den Tieren, was allerdings von vielen Wissenschaftlern als unterentwickelt, chaotisch, primitiv und unzivilisiert be- und verachtet wird. Mit dem Patriarchat war das harmonische Leben von Mensch und Natur beendet. Erst aus der Bronzezeit, mit den Eroberungen und Kriegen der patriarchalen Invasoren aus dem Norden haben wir Beweise für die Jagd. Das heißt, die Zeit des Jagens begann erst vor 5000 Jahren als Zeitvertreib der Anführer der Eroberer, die zu den ersten Königen, sowohl Mesopotamiens und Ägyptens wurden. (s. D. Wolf  Das Abschlachten der Wildtiere  – Jagdvergnügen der Herrenmenschen). Daran ändern alle Spekulationen und Behauptungen nichts!
Wie ist es nur möglich, dass sich der Mythos vom urzeitlichen Jäger wider alle Vernunft und gegenteiligen Beweise derart hartnäckig hält? Der Anthropologe William E. Arens beantwortet die Frage:

»Durch Erzählung und Wiederholung kann eine Idee eine Aura
essentieller Wahrhaftigkeit um sich herum schaffen und behaupten.«

    Weiter schreibt er: »Im Verlauf des Prozesses wird eine lieb gewonnene Vorstellung mit mehr Wahrheit ausgestattet als eine Bibliothek voller Fakten… Der dokumentarische Nachweis spielt nur eine untergeordnete Rolle im Vergleich zum Vollzug der wiederholten Bestätigung durch jede neue Gelehrtengeneration. Überdies nimmt die Kraft der Überzeugung zu, je weiter die fragliche Zeit in der Vergangenheit entschwindet. Anfängliche Zweifel wandeln sich bald zum Glauben an eine Möglichkeit und schließlich zur selbstgefälligen Gewissheit.« (›The Man-Eating Myth‹ Oxford 1979, zit. von Barbara Walker ›Das Geheime Wissen der Frauen‹ 1993, S. 484) Zum Mythos beigetragen haben auch 61 Autoren, deren Beiträge aus allen Ländern der Welt auf rund 2000 Seiten im ›Oxford Handbook of Archaeology of Hunter-Gatherers‹ 2013 zusammengestellt wurden. Der Paläolinguist Richard Fester machte sich über die ›Jagdmagie‹ der Wissenschaftler lustig und nannte sie »einen faulen Zauber«.

Die frühe Erfindung der Jägerei ist ein grosser Bluff, eine der großen Schwindeleien und Hochstapeleien des Patriarchats

Jagdphantasien und die Überzeugung vom heldenhaften Jäger vernebeln patriarchalen Wissenschaftlern und jedweden zum Grössenwahn verführten ›gläubigen‹ Mann den Blick für die Wirklichkeit. Die Überzeugung, seit Urzeiten zu diesem grossartigen, den Frauen weit überlegenen, illustren Geschlecht zu gehören, gibt diesen Männern Identität und Wichtigkeit, die da heisst: Ich bin ein Mann und gehöre zum richtigen Geschlecht.
Die Autoren des ›Bildatlas der Archäologie‹ berichtigten den Irrtum. Sie schrieben: »Bis vor Kurzem glaubten Anthropologen und Prähistoriker, der menschliche Entwicklungsprozess wäre an die Entfaltung der jägerischen Talente geknüpft, und die ersten von Menschen gefertigten Objekte seien deshalb Waffen oder Werkzeuge zur Waffenherstellung gewesen. 1981 lehnten amerikanische Anthropologen diese Theorie jedoch ab, weil sie offensichtlich eine typisch abendländische (patriarchale) Denkweise widerspiegelt, nach der der Mann auf Kosten der ›anderen Hälfte der Menschheit‹ eine dominierende Rolle spielte. Nancy Tanner zum Beispiel schrieb, nicht der ›Mann und Jäger‹, sondern die ›Frau und Sammlerin‹ sei für die Aufwärtsentwicklung der Menschheit verantwortlich gewesen.« Tanner hatte nämlich aufgrund ihrer Studien festgestellt, dass die ersten Hominiden, die mit Werkzeugen umgingen, Weibchen in Begleitung ihrer Jungen waren.« (Nancy M. Tanner ›On Becoming Human‹ 1981, zit. im   ›Bildatlas der Archäologie‹ 1991, S. 30) Frauen sehen die Welt nun einmal anders. Wo dieser weibliche Blick fehlt, wird Geschichte einseitig, einfältig, oft falsch, weil aus patriarchal-männlicher Sicht erzählt. Offensichtlich muten diese Wissenschaftler ihren urgeschichtlichen Geschlechtsgenossen lediglich und ausschließlich Jagen, Töten und Kopulieren zu, während die von den Urgeschichtlern kaum je erwähnten Frauen, wie wir heute wissen, eine reiche Kultur schufen. (s. D.  Wolf ›Die Kulturleistungen der Frauen – die Wiege der Zivilisation‹)

»Erkenntnisse, die den patriarchalen Allmachtstraum gefährden,
werden totgeschwiegen und verdrängt.«
(G. Weiler 1994, S. 29)

»Wenn wir die Frage nach der weiblichen Lebensweise in den Mittelpunkt der Forschung rücken, schrumpfen die paläolithischen Jäger, Hirten oder Krieger zu einem theoretischen Begriff«, schreibt Gerda Weiler (›Der aufrechte Gang der Menschenfrau – Eine feministische Anthropologie II‹ 1994, S. 81). Jedoch werden Forschungen von Frauen, die neue Ansätze, neue Ideen, neue Ergebnisse und zusätzliche Erkenntnisse, einen kritischeren Umgang mit der Urgeschichte, statt der Anpassung an patriarchale Normen veröffentlichen, bekämpft und abgewertet, wie z.B. auch Marija Gimbutas oder ignoriert wie Gerda Weiler. Frauen wird ganz allgemein von Männern, denen es selbst an wissenschaftlicher Kompetenz fehlt, die wissenschaftliche Kompetenz abgesprochen; einfach darum, weil sie Frauen sind. Patriarchale Männer sind überheblich, meist sexistisch und rassistisch; sie würden beispielsweise nie ein von einer Frau oder von einer/m Schwarzen geschriebenes Buch lesen. So bleibt ihnen das patriarchale Brett vor dem Kopf erhalten. Sie bleiben arrogant, dumm, unbelehrbar und schreiben weiterhin viel Unsinn. Wissenschaftler, die bei ihren Interpretationen auf dem Boden der Realität bleiben, zeigen ein anderes Bild. Der deutsche Prähistoriker und Archäologe Gerhard Bosinski rätselt beispielsweise:

»Es ist noch darüber nachzudenken, warum in einer Jägersiedlung
der späten Altsteinzeit so viele Frauen und nur wenige und nicht
eindeutige Männer dargestellt wurden.«
(Gerhard Bosinski )

Aus der Zeit um 10’400 fand Bosinski etwa 400 gravierte weibliche Figuren, dazu 13 weibliche Statuetten aus Geweih und Elfenbein und mehrere aus Schiefer. (›Gönnersdorf – Eiszeitjäger am Mittelrhein, 1981, S.123)
»Die große Anzahl ist auffallend und wegen der Menge der Darstellungen besonders wichtig«, schreibt Bosinski. »Bei der Bearbeitung der Gönnersdorfer Menschendarstellungen sind wir zu dem Schluss gelangt, dass sich hierin die wichtige Rolle der Frau in der damaligen Gesellschaft spiegele.« (Bosinski, ibd. S. 124 f) Im Gegensatz zu Bosinski blähen patriarchale Wissenschaftler die Rolle des Mannes auf. Der friedliche, bescheidene Mann, der geschickte Fischer, der besonnene Handwerker, der kreative Kunstschaffende, der zufriedene, einfache, würdevolle Mann, der behutsam und verantwortungsbewusst mit seinen Mitmenschen und der Natur umgeht, erscheint ihnen zu unbedeutend, weshalb sie ihn zum ›großen Jäger der Urzeit‹ hochstilisieren. Sie klammern sich an eine phantasierte Größe, überhöhen ihn zum Helden, einem Wesen mit überdimensionalen Kräften und einer gottähnlichen Gestalt, die er nie war und nie sein wird.

»Der Mann ist im Grunde das Verlangen Gott zu sein.«  (J.P. Sartre)

Seit die Schrift für Propagandazwecke eingesetzt wird, d.h. seit der geschichtlichen Zeit, dem Beginn des Patriarchats und der Erfindung der ersten männlichen Götter vor 5000 Jahren, manipulieren patriarchale Männer die Geschichte unserer Vergangenheit, um den Mann in den Mittelpunkt der Welt zu stellen. Sie verherrlichen Gewalt, Kriege und Eroberungen und die erfolgreiche Jagd der Könige auf die Wildtiere. Männliche Angeberei beginnt mit der patriarchalen Machtnahme. Die Bibel, das Geschichten- und Legendenbuch des Patriarchats strotzt in vielen Erzählungen voller Stolz von brutaler Gewalt. Im 1. Buch Mose (10,8-10) und im ersten Buch der Chronik (1. Chronik 1,10) war Nimrod ›der Erste, der Macht gewann auf Erden‹, der erste Mensch, der zur Königswürde gelangte. Er wird zum ›gewaltigen Jäger vor dem Herrn‹.
Die Idee von den ›Steinzeitjägern‹ war ursprünglich ein Einfall – zugegebenermaßen lediglich eine Vermutung – von Charles Darwin (1809–1882). Diese Vermutung hat aber keinen Wissenschaftler davon abgehalten, selbst wenn er sich nicht im Entferntesten je mit der Urzeit befasst hat, die unhaltbare Mutmaßung als ›Tatsache‹ zu verbreiten. Das Pseudo-Wissen von den ›Jägern und Sammlern‹ zeugt von seiner weitreichenden ›Bildung‹. Er zählt sich zur gehobenen Bildungsschicht wie Darwin, der aus einem reichen Haus und einer gebildeten ›Elite‹ angehörte. Er war selbst ein begeisterter Jäger. In der wohlhabenden Oberschicht seiner Zeit war Jagen eine Selbstverständlichkeit, woraus ihre Angehörigen schlossen, Jagen sei ›schon-immer‹ – allerdings nur des reichen Mannes – liebste, ja wichtigste Beschäftigung gewesen.
Der australische Anatom und Paläoanthropologe Raymond A. Dart (1893–1988) dürfte nach Darwin jedoch der eigentliche Erfinder der Mär von den frühen Jägern gewesen sein. Er wurde durch den Fund des fossilen Schädels eines jungen Vormenschen, des sogenannten ›Babys von Taung‹ bekannt, den ein Steinbrucharbeiter 1924 nahe der Ortschaft Taung im Nordwesten Südafrikas entdeckt hatte. (Wikipedia) Dart hoffte, nachweisen zu können, dass es sich dabei um einen sich von Fleisch ernährenden menschenartigen Primaten handelte. »Er suchte daraufhin gezielt nach fossilen Knochenlagern, um den Beweis zu führen, dass der Mensch für diese Anhäufung von Knochen verantwortlich sei. In diesem Zusammenhang entdeckte er in der Nähe einer solchen Fossillagerstätte Schwärzungen, die er als Feuerspuren deutete, die sich erst sehr viel später als Manganfärbungen herausstellten (›The Predatory Transition from Ape to Man‹ Der räuberische Übergang vom Affen zum Menschen‹ 1953). Die Vorstellung von Australopithecus als einem großen Jäger, der nach erfolgreichem Jagdzug das Wildbret am Feuer röstete war geboren… »Obwohl es erhebliche Zweifel an Darts These gab… wurde seine Auffassung in den 1960er Jahren allgemein populär.« (Ina Wunn ›Die Religionen in vorgeschichtlicher Zeit‹ 2005, S. 48 f) Raymond Dart veröffentlichte 1953 in einem Fachartikel und 1959 in seinem Buch ›Adventures with the missing link‹ seine These vom frühen Jäger.

Hirnlose Spekulationen

Die US-Anthropologin Sally Slocum hinterfragt den Primat des männlichen Jägers ebenfalls. Sie schliesst aus dem Werk von Raymond Dart: »Dart hat geradezu krankhafte, sadistische Phantasien vom Australopithecus. Er sieht in ihnen aggressive Männer, blutdurstige Jäger, eingefleischte Killer, fleischfressende Kreaturen, die die lebende Beute gewaltsam an sich rissen, sie zu Tode schlugen, ihre zerbrochenen Körper auseinanderrissen, Glied für Glied zerstückelten und gierig das sich windende, lebendige Fleisch verschlangen. (›Woman the Gatherer: Male Bias in Anthropology‹ in the selection ›Toward an Anthropology of Women‹, ed. Rayna R. Reiter 1975, Die Frau als Sammlerin: Männliche Voreingenommenheit in der Anthropologie)
Die Anthropologen und Paläoanthropologen S.L. Washburn und C.K. Lancaster gingen von der Richtigkeit von Darts Thesen aus. Sie nahmen an, dass männliche Dominanz zur genetischen Ausstattung aller Primaten gehörte und behaupten:

»Die Biologie, die Psychologie und die Sitten, die uns von den Affen unterscheiden, all das verdanken wir den Jägern der vergangenen Zeit.« (S.L. Washburn und C.K. Lancaster ›Man the Hunter‹ 1968, S. 303)

Der amerikanische Anthropologe und Dramatiker Robert Ardrey, der behauptete, es sei ›der Krieg und der Instinkt für das Territorium, der zu den großen Errungenschaften des westlichen Menschenmannes führte‹!, popularisierte das Modell von Dart und Washburn und Lancaster in seinem Buch ›African Genesis‹ 1955 und nannte die Jagd ›den Schlüssel zur Menschwerdung‹. (zit. von Sussman 1999, S. 123) In einem seiner erfolgreichen Bücher schilderte Ardrey die Vorfahren des Homo Sapiens als blutrünstige Wesen, die andere Hominiden töteten und verspeisten.« (Wikipedia) Dem entgegnet Gerda Weiler empört über Ardreys populäre Fehleinschätzung: »Er projiziert Gewalt – die von der Psychologie des Patriarchats seit einigen Jahrtausenden zur unverzichtbar heiligen Kraft stilisiert wird, die die Männerherrschaft aufrechterhält – in die Urzeit, wenn er die Männergruppe als Lehrwerkstatt vorstellt, die Männergewalt züchtet. Neben der engen Welt der Frauenlager ›gab es die weite Welt des Jägers, den gefahrenumwitterten Busch, die beutereiche Wasserstelle, die endlose Savanne. Planung und Angriff, Auf-der-Hut-Sein und Entdeckung, lebenslange Kameradschaft, gewalttätiges Handeln und Gefahr von früh bis spät – das war das Leben der Jagdbande‹.« (Ardrey 1971, S. 362 f, zit. von Weiler ibd. 1994, S. 88).
Eine romantisierte Spinnerei! »Ardrey ist weit davon entfernt zu sehen, dass es die sozial unangepassten Männer sind, die außerhalb des Clans eine Junggesellenbande bilden und sexuell abstinent leben müssen, weil sie von den Frauen abgelehnt werden. Warum diese unfreiwillig zölibatär lebenden Männer von Frauen abgelehnt werden, hinterfragen diese Männer weder damals noch heute.« (Weiler ibd.) Sie sehen sich als Opfer der Frauen und geben Ihnen die Schuld. ›Incels‹ nennen sie sich heute.

Nicht Jäger sondern Hirten

Es sollen wohl Schafzüchter auf der Suche nach Weidegrund gewesen sein, welche die Mär vom nomadisierenden Jäger erfanden, die seit undenklicher Zeit dem Wild über weite Strecken gefolgt seien, um es zu erlegen. Nur sind frühe Jäger tatsächlich eine Phantasie. Es gab jedoch schon früh nomadisierende Schafzüchter, Hirten, die schon damals, wie noch heute, im Frühling samt ihren Familien ihre Herden in die Berge führten, z.B. die Bachtiaren im Zagros-Gebirge im Südwesten des Irans.  Sie sind monatelang auf der beschwerlichen Suche nach Weidegrund  unterwegs. Aufallenderweise werden bei ihnen die Frauen sehr geschätzt. »Die Bachtiaren-Frauen und Mädchen haben eine ungeheure Ausdauer und  übernehmen problemlos die Pflichten des Familienvaters, wenn der einmal weg muss und vertreten ihn. Eine Wanderhirtenfrau ist so gut wie 10 Männer. Die Frauen sind sehr stark, mental und körperlich«, sagt eine alter Hirte voller Stolz und Bewunderung. (s. ›Die Wanderschäfer im Iran‹ (Arte 30.3.22)

Es ist ein Charakteristikum des patriarchalen Mannes, dass er Feinbilder braucht.
Bei der Institutionalisierung des Patriarchats waren Frauen die Feindbilder, weil sie die Macht hatten. 

Robert Sussman, der die Entwicklung des Verhaltens von Primaten und Menschen erforscht und analysiert hatte, kam auf völlig andere Ergebnisse, als jene vom Mann als großer Jäger und Killer. Er schreibt: »Wie Dart, verband Washburn die menschliche Jagd mit der menschlichen Entwicklung (›morality), die ihre biologische Grundlage in unserer evolutionären Vergangenheit hatte. Und weiter schreibt er:

»Der ›Mannmensch‹ (the Man) hat Freude an der Jagd auf andere Tiere. Wenn nicht sorgfältiges Training die natürlichen Triebe in Grenzen halten, genießen Männer die Jagd und das Töten. In den meisten Kulturen werden Folter und Leiden zum Vergnügen aller zum öffentlichen Spektakel gemacht… zum Neugier- und Dominanzstreben des Affen sind fleischfressende Neugier und Aggression hinzugekommen. Diese fleischfressende Psychologie mag ihren Anfang in den Plünderungen der Australopithecinen gehabt haben.« (Washburn und Avis 1958, S. 433-434)

Der vermeintlich ›natürliche Trieb zu Töten‹ wird durch die
patriarchale Erziehung zur Gewalt erst anerzogen

Wiederum, ähnlich wie Dart vor ihm, sammelte Washburn keine große Menge an Beweisen, ging nicht wissenschaftlich, empirisch vor, um seine Theorie zu untermauern. Vielmehr stützte er sich auf ein anthropologisches Konzept des neunzehnten Jahrhunderts von kulturellen ›Überbleibseln‹; Verhaltensweisen, die in der Gesellschaft nicht mehr nützlich sind, die aber fortbestehen und aus einer Zeit stammen, als sie es noch waren.

»Männer haben Spaß am Jagen und Töten, und diese Aktivitäten werden im Sport fortgesetzt, wenn sie wirtschaftlich nicht mehr notwendig sind. Wenn ein Verhalten für das Überleben einer Spezies wichtig ist – wie es die Jagd für den Menschen während des größten Teils der Menschheitsgeschichte war [sic!], – dann muss es sowohl leicht erlernbar sein als auch Spaß machen.« (Washburn und Lancaster 1968)

In ›Man The Hunted: Primates, Predators and Human Evolution‹ argumentiert Sussman (Co-Autorin Donna Hart), dass der frühe Mensch sich eher als Beute denn als Jäger entwickelt hat. Natürlich mögen patriarchale Männer die Idee vom hilflosen, kleinen Mann der Opfer von großen Tieren wird, der nicht ihr Jäger, sondern der von ihnen Gejagte und ihre Beute wird, nicht. Wie alle patriarchalen Männer streben sie nach Größe, Großartigkeit, nach Macht und Ruhm, wollen beeindrucken und bewundert werden.

 Die größten Irrtümer der patriarchalen Wissenschaft basieren auf falschen Annahmen und Behauptungen:

1. Die kunstvollen Silex-Pfeilspitzen seien Geschoss-Spitzen.
Das konnte im Kapitel: ›Silex-Blatt- und Pfeilspitzen sind keine Waffen‹ eindeutig widerlegt werden: Pfeile sind die frühesten Symbole für Leben.
2. Auf den Felszeichnungen und -Malereien der letzten 20’000 Jahre seien Jäger und Jagdszenen  abgebildet.
Es handelt sich jedoch nicht um Jagdszenen sondern um festliche Zusammenkünfte. Die abgebildeten Männer sind keine Jäger sondern Tänzer.
3. Was die Männer auf den Felszeichnungen in Händen halten seien Pfeil und Bogen, was sie als Jäger ausweise.
Es sind jedoch einsaitige Musikinstrumente mit den dazugehörigem Streichbogen, welche die Tänzer in Händen halten.

Bis vor wenigen Jahrzehnten waren Männer die einzigen Wissenschaftler auf dem Gebiet der Urgeschichts- und Geschichtsforschung. Sie taten alles um ihre Geschlechtsgenossen der Urzeit – und damit ihre bewundernswerten Vorfahren – zu überhöhen, zu heroisieren und zu glorifizieren. Es kann nicht verwundern, dass dabei eine grosse Anzahl von Fehlinterpretationen patriarchaler Wissenschaftler entstanden, die ein völlig verzerrtes Bild unserer Vergangenheit wiedergeben. (s. auch D. Wolf ›Das wunderbare Vermächtnis der Steinzeit und was daraus geworden ist 2017) Frauen kommen in der patriarchalen Forschung gar nicht vor. Die eingeschränkte Sicht beginnt schon bei der Analyse der frühesten uns zur Verfügung stehenden Forschungsobjekte der Urzeit, den 20’000 Felsbildern der letzten 40’000 Jahre (s. Emmanuel Amati ›Höhlenmalerei‹1997 + 2002).
Als in den 1970er Jahren Frauen begannen ihre eigene Geschichte zu erforschen, wurden unter ihnen amerikanische Anthropologinnen immer skeptischer gegenüber den männlich überlasteten Thesen und begannen diese kritisch zu hinterfragen. In der Publikation ›Toward an Anthropologe of Women‹ (ed. Rayna R. Reiter), erschien 1975 eine Sammlung ausgewählter, kritischer Texte zu verschiedensten Themen wie Sex, Gleichberechtigung, Ursprung der Familie, Macht, Matriarchat, Politik, Besitz, Armut und Hunger etc. in diversen Ländern der Welt. Männliche Wissenschaftler, besonders die zahlreichen Patriarchen unter ihnen, interpretierten die Bilder der Steinzeit immer aus einem männlichen Blickwinkel. Sie sahen in den abgebildeten Menschen und Phantasiegestalten, die wahrscheinlich unter Drogen entstanden sind, manchmal Zauberer oder Schamanen. Aber vor allem waren sie überzeugt, dass es sich um Jäger handeln müsse. Dieser Blick prägt unsere Annahmen von den berühmten Gesellschaft der ›Jäger und Sammler‹. Diese Sicht wird in Schul- und Fachbüchern mit grosser Sicherheit ihrer Richtigkeit verbreitet und seit Generationen weitergegeben, verfestigt und kaum hinterfragt. Wir wurden gelehrt zu glauben, nicht selber zu denken und kritisch gegenüber den ›Wahrheiten‹ der Wissenschaft zu sein.

Felsbilder zeigen Tänzer – Nicht Jäger

Richard W. Sussman setzte der These vom Mann dem Jäger eine alternative, jedoch ebenso vertretbare Theorie entgegen. Er bezeichnet seine Erscheinung auf den Felsbildern als ›Der Mann der Tänzer‹. Er meinte, schliesslich lieben die meisten Menschen zu tanzen und Tanz ist in allen Kulturen zu finden. Sussmans witzige These entspricht weit eher den Tatsachen als die Phantasie von den Großen Jägern der Urzeit.
Es ist erstaunlich, wieviel über Jäger und Sammler schwadroniert wurde und wie wenig Tanz, Musik und Musikinstrumente in der Steinzeit seriös erforscht wurden, obwohl beispielsweise immer wieder Flöten gefunden wurden und es zahlreiche andere Instrumente gegeben hat, z.B. gebogene Hölzer, bespannt mit einer einzigen Saite, bespielt mit einem Bogen, was dann als Darstellung von Pfeil und Bogen interpretiert wird. Beispielweise fand man Wandbilder von tanzenden Männern im anatolischen Chatal Hüyük. Bilder überschäumender Lebensfreude und Freiheit.

Gerhard Bosinski fand bei seinen Ausgrabungen in Gönnersdorf auch ca. 400 gravierte weibliche Figuren von tanzenden Frauen.  (Gerhard Bosinski  ibd. 1981, S. 123).

Ritzzeichnung stilisierter Tänzerinnen

Wegen der auffallend grossen Zahl der Darstellungen von Frauen  in Gönnersdorf  schreibt Bosinski, »sind wir zu dem Schluss gelangt, dass sich hierin die wichtige Rolle der Frau in der damaligen Gesellschaft spiegele. Die abgebildeten Tanzszenen der Mädchen und Frauen waren wichtiger als die nicht abgebildeten Tänze der Männer«. (Bosinski ibd. S. 124)
Im Gegensatz zu Bosinski. der Musik und Tanz erkennt, interpretieren patriarchale Wissenshaftler Felsbilder gern mit Jägern und Gewalt.

In der Felsbildkunst der matriarchalen Urzeit gibt es keine Gewaltszenen, keine Jagd und keine Waffen

Es ist auffallend, dass die bisher fast ausschließlich männlichen Forscher immer und überall Gewalt und Krieg phantasieren, während normale Menschen eigentlich eher Freude am Leben, an Spielen, Gesang und Tanz haben. Burchard Brentjes macht beispielsweise in seinem Buch ›Schamanismus als Urreligion‹ darauf aufmerksam, dass die Wisentmasken-Figur in der Höhle ›Trois Frères‹ in Südfrankreich einen Bogen an den Mund hält aber keine Pfeile besitzt. Die Darstellung erinnert damit an die sowohl in Sibirien wie in Amerika übliche schamanistische Methode zur Herbeirufung der Hilfsgeister mittels des Anschlagens der Bogensehne sowie an den Gebrauch des Bogens als Musikinstrument. (Volkert Haas ›Handbuch der Orientalistik: The Near and Middle East‹ 1997, S. 158)

Musikinstrumente – Nicht Pfeil und Bogen

Burchard Brentjes These wird jetzt bestätigt: Wir verdanken dem Musikwissenschaftler und Instrumentenkundler Alexander Buchner und dem Bogenmachermeister Thomas M. Gerbeth die wichtigsten Fakten, die zu einer völlig neuen Sicht und Analyse der Felszeichnungen verhelfen. Sie bestätigen durch ihre langjährige Instrumentenforschung die Vermutung, dass es sich bei den unzähligen auf den Felszeichnungen abgebildeten gekrümmten Stäben und geraden Strichen, die von Menschen in Händen gehalten werden, nicht um Pfeile und Bogen, also nicht um Waffen, sondern um Musikinstrumente handelt. Es sind Darstellungen Musik spielender Menschen, Musiker und Tänzer, feiernde und spielende Menschen; es werden also auch keine Jäger oder Krieger dargestellt. »Möglicherweise finden sich die frühesten Belege für einen Musikbogen in einer Höhlenmalerei aus der Altsteinzeit, etwa um 15’000–10’000 v. Chr.:

Diese Felsmalereien in den Höhlen ›Trois Frères‹ (Südfrankreich) stellen tanzende, in Tierhäuten vermummte Zauberer mit Masken dar. Der in der Höhle Trois Frères abgebildete Magier hält das obere Bogenende im Mund, mit der Linken drückt er das untere Ende an sich und mit der Rechten reißt er die Bogensehne an.

Eine dieser Figuren, die als Bison verkleidet ist, hält einen bogenähnlichen Gegenstand in der Hand, über dessen Bedeutung sich die Fachwelt bis heute nicht einigen konnte. Da aus paläolithischen Funden bisher nur Pfeifen [oder Flöten] bekannt sind, sind sich die Experten nicht im Klaren, ob es sich bei dem dargestellten Objekt um eine Längsflöte oder einen Musikbogen handelt. Hierbei ist jedoch nicht auszuschließen, dass Musikbogen im Gebrauch waren, deren Materialien jedoch die Zeiten nicht überstanden haben, also verrottet sind… Der Musikbogen, das einfachste Saiteninstrument aus der Familie der Zithern, ist ein elastischer gekrümmter Stab, der eine Sehne oder Saite spannt. Bei den Völkern Südafrikas, Südamerikas und Ozeaniens noch heute zu finden, hat er eine Länge zwischen 80 cm und 120 cm. In Ostafrika ist er zum Teil bis zu 3 m lang. Die Saite wird entweder mit einem Stöckchen angeschlagen oder durch das Reiben mit einem aufgerauten Stäbchen zum Schwingen gebracht. Seltener wird sie gezupft. Durch Veränderung der Bogenkrümmung (hierdurch ändert der Spieler die Spannung der Sehne und somit die Tönhöhe).« (Thomas und Anke Gerbeth ›Der Ursprung des Streichbogens‹)

Felsmalerei in der Rabisch-Höhle bei Bjelogradtschik (Belgrad)

»Im Handbuch der Musikinstrumente schreibt Alexander Buchner: ›Diese Höhlenmalerei stellt einen Musikbogen mit Streichbogen dar. Die Abbildung ist ein Bestandteil der Felsmalereien in der Rabisch-Höhle bei der bulgarischen Stadt Bjelogradtschik. Die Zentralfiguren des Gemäldes sind Musiker. Einer hält einen Bogen in lotrechter, ihm zugewandter Lage in der Linken, mit der Rechten scheint er die Bogensehne mit einem Streichbogen oder einem Reibstab zum Klingen zu bringen. Eine andere  Figur trägt eine Zweimembranentrommel auf der Brust und schlägt sie mit beiden Händen. Obgleich dieser Fund noch nicht genauer untersucht und auch noch nicht datiert worden ist, darf man über seine ungeheure Bedeutung für die Instrumentenkunde schon jetzt Überlegungen anstellen‹.« (Alexander Buchner ›Handbuch der Musikinstrumente‹ 1995, S. 20 und 27,  zit. v. Thomas M. Gerbeth)

Wenn beim Bild von Rabisch vermutet wird, dass es sich hier »auch um die versehentlich spiegel-verkehrte Darstellung eines Jagdbogens mit dem dazugehörigen Pfeil handeln könnte«, zeigt dies, wie weitreichend die Mär von den Jägern und Sammlern das Denken der Männer vereinnahmt hat. Auch Gerbeth lässt sich verunsichern; auch er lässt sich vom Mythos der Großen Jäger infizieren. Er schreibt: »Sucht man nach dem Ursprung des Streichbogens, muss wohl zuerst der möglicherweise aus dem Jagdbogen entstandene Musikbogen untersucht werden.« (Anke und Thomas M. Gerbeth ›Der Ursprung des Streichbogens‹) Jedoch dürfte es gerade umgekehrt gewesen sein, weil wir mit Sicherheit annehmen können, dass die Jagd der Männer (und der Krieg) viel später entstand als Musik, Spiel, Gesang und Tanz.
Die von den Wissenschaftlern vermeintlich als ›spiegel-verkehrte Darstellungen von Jagdbogen mit dem dazugehörigen Pfeilen‹ interpretierten Felszeichnungen sind derart häufig, dass sie unmöglich ein Irrtum der verschiedenen Zeichner in weitentfernten, von einander unabhängigen Gegenden der Welt und verschiedenen Zeitaltern, sein können, sondern reale Abbildungen von Musikinstrumenten in den Händen von Musikanten sind.

Wandmalereien im anatolischen Chatal Hüyük, datiert zwischen 7500 und 5700

Tänzer feiern das Fest des Hirsches

Auf den Wandmalereien in Chatal Hüyük sehen wir, dass die tanzenden Männer den Bogen ebenfalls scheinbar ›umgekehrt‹ in Händen halten, was deutlich gegen den Gebrauch als Bogen zum Abschießen eines Pfeiles spricht. Der Archäologe James Mellaart schreibt zu dem Bild: »Ein ›Jagdheiligtum‹ mit tanzenden Jägern, mit Bogen und Keulen bewaffnet und in Leopardenhäute gekleidet.« (James Mellaart ›Çatal Hüyük‹ 1967, S. 166 f.).

Tänzer und mindestens eine Frau mit Kind am Fest des Stieres in Chatal Hüyük

Kopierte Felszeichnungen: Fälschen leicht gemacht

Um die Theorie von den Jägern der Urzeit zu untermauern, ist es für die Anhänger der Jäger-Phantasien ein Leichtes, die einzig möglichen Beweise, die Wiedergaben der Felsbilder und Höhlenmalereien, etwas zu manipulieren, die Jäger und Waffen etwas zu ›verdeutlichen‹. Da genügt ein einziger Strich am richtigen Ort und der Jäger hat einen Pfeil in der Hand. Wer will das schon kontrollieren? Viele der Felswände wurden nur einmal entdeckt und werden später nie wieder gefunden. Andere erodierten mit der Zeit und verschwanden; wieder andere Darstellungen sind reine Phantasie, wie etwa das untenstehende Bild von Cueva de las Caballos (Höhle der Pferde). »Die paläolithische Kunst bestand zunächst aus Fotografien und abgezeichneten Kopien (häufig noch Fotografien von abgezeichneten Kopien, mithin eine doppelte Distanz zum Original)«, stellte Rémi Labrusse fest. »Reproduktionen implizieren nun zwangsläufig Verzerrungen: in der Wahl der zu reproduzierenden Objekte und Formen, in der Rahmung und der Beleuchtung der künstlich isolierten ›Kompositionen‹ und im Duktus der Aufnahmen oder retuschierten Fotografien.« (Rémi Labrusse ›Prähistorie und Moderne‹ in ›Kunst der Vorzeit – Felsbilder der Frobenius-Expeditionen‹, Ausstellungskatalog im Museum Rietberg, Zürich 2021, S. 226)

 Jägerlatein in einem phantasierten Höhlenbild
Die Absurdität ist unübersehbar und unüberbietbar.

Zeichnung einer »Hirschjagd. Cueva de las Caballos. Barranco de la Valltorta. Castellon, Ostspanien. Die Skizze von Hugo Obermaier und P. Wernert aus dem Jahr 1919, bevor die Wand ganz verfiel, zeigt eine Gruppe von 4 Bogenschützen, die ihre Pfeile auf eine Herde abschiessen, die aus 6 Hirschkühen. 2 Kitzen, einem kleinen Reh und einem Hirsch mit Geweih besteht. Die Szene ist etwa 50 cm hoch.« (›Der Grosse Bildatlas der Archäologie‹ 1991, S. 36)

Was für eine Absurdität. Der Zeichner phantasiert, dass die Tiere den Jägern direkt vor die Schusslinie laufen; inzwischen scheinen die intelligenten Tiere jedoch dazu gelernt zu haben, sie laufen beim leisesten Geräusch davon. Anders die Jagdphantasten. »Nur die Jäger selbst«, prahlt der deutsche Anthropologe Hans Weinert über die Höhle von Montespan in Frankreich, nur »mutige Männer konnten bis in diesen inneren Teil der großen Höhle vordringen. Man erlebt mit, wie entweder der Priester [!] oder die Jäger Pfeil und Speer auf den Bären schleudern. In der sicheren Überzeugung, dass somit der Höhlenbär ihnen verfallen war, konnten die Männer nach dieser Weihestunde zur Jagd ausziehen.« (Hans Weinert ›Der geistige Aufstieg der Menschheit vom Ursprung bis zur Gegenwart‹ 1940, S. 177, zit. von Weiler ibd. 1994, S. 29) Ein anderer Wissenschaftler (bei Scobel im ZDF) glaubt, ›der Mensch‹ hätte Angst vor wilden Tieren gehabt und sei deshalb zum Jäger geworden!‹ Jedoch, Menschen, die in der Nähe von wilden Tieren leben, lernen schon von Kindesbeinen an, respektvoll und vorsichtig aber ohne Angst mit gefährlichen Tieren zu leben, ob es Elefanten, Löwen, Bären, Wölfe oder Schlangen sind, immer lernen sie ihr Verhalten nach den gefährlichen Tieren zu richten. So könnte ›Angst vor wilden Tieren‹ auch anders interpretiert werden. Die Menschen beobachteten jagende wilde Tiere und wie sich ganze Meuten hungriger Tiere jeder Art auf das von andern Tieren getötete Wild stürzten. Vor einem Rudel Hyänen macht sich sogar ein Löwe aus dem Staub. Es war also nicht nur gefährlich, selbst die Jagdbeute eines Tieres zu werden, sondern noch viel gefährlicher, sich im Umkreis eines erbeuteten Tieres aufzuhalten. Ein gejagtes Tier zieht Raubtiere an und macht den Menschen selbst zum Freiwild. Die Vorstellung, Männer hätten – gemütlich um ein Lagerfeuer geschart – die Tiere geschlachtet und verzehrt, ist völlig abwegig. Ein berühmter Koch meinte sogar, die menschliche Gemeinschaft (aber damit meint der Autor ja wohl die männliche Gemeinschaft!) habe mit dem Braten von Fleisch am Lagerfeuer begonnen. Er habe also nicht nur das Jagen sondern auch das Feuer, das Kochen und Grilliren erfunden.

Tanz, Musik und Musikinstrumente im Alten Ägypten

Im Alten Ägypten war Hathor die Göttin der Liebe, des Friedens,
der Schönheit, des Tanzes, der Kunst und der Musik

Grab des Nacht

In den zahlreichen Bildern zum Thema Musik und Tanz finden wir auch den vielzitieren Bogen in der Form der ägyptischen Harfe.

Die deutsche Musikwisssenschaftlerin Ellen Hickmann schrieb 40 musikbezogene Einträge zur Musik, zu Musikern, Musikinstrumenten und dem Musikleben von der Vorzeit bis ins hellenistisch-römische Ägypten nachchristlicher Zeit und von der ›außerordentlichen Vielseitigkeit‹ der Musik im Lexikon der Ägyptologie. (LÄ Band 1‒6. 1975)

Das Ende der Mär von Jägern und Kriegern in der Steinzeit

Die Mär von den Jägern und Kriegern der Urzeit dürfte nun korrigiert und endgültig ad acta gelegt werden, denn:

–  Pfeil und Bogen wurde als einsaitiges Musikinstrument erkannt,
– Und die › Jäger‹ waren Tänzer! (s. ›Silex-Blatt- und Pfeilspitzen sind keine Waffen‹)

Vom Menschenaffen zur Idee des ›Urzeitjägers‹

Die Paläoanthropologie oder ›die Geschichte vom menschlichen Werden‹ ist ein weitgehend im Dunkeln gebliebenes Feld. Unsere unübersichtliche Verwandtschaft‹, titelte das ›Spektrum‹ den Artikel von Bernard Wood: »Der menschliche Stammbaum ist entgegen früheren Vorstellungen durchgehend stark verzweigt. Wahrscheinlich lebten in den meisten Phasen der Menschwerdung deutlich mehr Arten von Homininen gleichzeitig als gedacht – und haben manchmal sogar gemeinsam Nachwuchs produziert.« (12.12.2014)
Es begann mit dem Australopithecus, der vor 2–4 Millionen Jahren in Afrika lebte. Er wird der Gattung Homo zugeordnet, zu dem auch die modernen Menschen gehören. Er soll sich von Früchten und pflanzlicher Rohkost ernährt haben. Danach kam der Homo Habilis, der Steinwerkzeuge benutzte und plötzlich zum Fleischesser mutiert sein soll. So genau weiß man das jedoch nicht, es ist lediglich eine Vermutung eine Spekulation, doch je länger man eine solche wiederholt, desto sicherer wird sie zur ›Wahrheit‹ (s. oben).
»Aufgrund von Fossilien- und Werkzeugfunden gilt es als erwiesen, dass Vertreter des Homo erectus Afrika erstmals vor rund 2 Millionen Jahren Richtung Levante, Schwarzmeerraum und Georgien, sowie möglicherweise über Nordwestafrika Richtung Südspanien verließen. (Friedemann Schrenk, Stephanie Müller: ›Die Neandertaler‹, 2005, S. 42) Vor rund 600’000 Jahren kam es möglicherweise zu einer zweiten Ausbreitungswelle (Carl Zimmer ›Woher kommen wir? Die Ursprünge des Menschen‹ 2006, S. 90). Danach entwickelte sich Homo erectus in Europa zum Neandertaler, während in Afrika vor ca. 200’000 Jahren aus Homo erectus der frühe oder archaische Mensch und aus diesem der moderne Mensch hervorging.

Ohne einen einzigen Beweis beschwören patriarchale Wissenschaftler, als wären sie dabei gewesen, die Geschichte von den großen Jägern der Urzeit. Unter ihnen stach der Ausgräber von Göbekli Tepe, Klaus Schmidt, besonders hervor. Er glaubte, die letzten zwei Millionen Jahre seien die »Zeit der eiszeitlichen, jägerischen Kulturen« gewesen; – doch dies ist lediglich sein phantasiertes patriarchales Credo. (Klaus Schmidt ›Sie bauten die ersten Tempel – Das rätselhafte Heiligtum der Steinzeitjäger‹ 2006)

Dass Frauen als Gebärerinnen auch Männern das Leben schenken, Erhalterinnen und Ernährerinnen der Clans und Sippen waren, die die Menschen leiteten, führten, lehrten und das Land regierten, Kultur und Wohlstand schufen und Frieden bewahrten, darf im Patriarchat nicht einmal angedacht, geschweige denn auf den Wahrheitsgehalt dieser Aussage überprüft werden. Man(n) fürchtet die Richtigkeit dieser These. Darum wurde der Mythos von den urzeitlichen Jägern geschaffen; um das (Über-)Leben in der urgeschichtlichen Zeit vom Beitrag der jägerischen Talente abhängig und darum als von Männern dominiert, darstellen zu können. Es gibt beweiskräftige Indizien, die gegen die These vom Grossen Jäger und der Ernährung sprechen.

Jäger, die Ernährer der Urzeit?

»Das Phantom vom großen Jäger der Urzeit ist des Mannes liebster Traum, erlaubt doch die Vorstellung vom unerschrockenen Rivalen wilder Tiere, der selbst reißende Löwen und zentnerschwere Elefanten überwältigte und die Beute ins Lager schleppte, sich der Phantasie von männlicher Omnipotenz hinzugeben.« (Gerda Weiler 1994, S. 87).

Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung patriarchaler Geschichtenerzähler war Jagd im weltweiten Matriarchat der Altsteinzeit völlig unbekannt. Erst aus der Bronzezeit und mit den patriarchalen Invasionen aus dem Norden haben wir Beweise für die Jagd und dies ausschließlich bei der Eroberer Klasse der indoeuropäischen Kolonialisten, den ›Chefs‹, in Ägypten und Mesopotamien. Männer müssen der ständigen Behauptung von den ›Jägern und Sammlern‹ Genüge tun und sie irgendwie beweisen, wenn auch nur durch Vermutungen, Phantasien, Interpretationen und Widersprüche. Es spielt jedenfalls eine Rolle ob man sich bei der Ernährung der Steinzeitmenschen auf die »Erkenntnisse der Paläoanthropologie bezieht… die von einer überwiegend pflanzlichen und ballaststoffreichen Nahrung ausgehen; wobei Fleischkonsum keine entscheidende Rolle spielt« (Boyd Eaton: ›Evolution, Diet and Health‹), oder auf Loren Cordain und Nicolai Worm, die sich dagegen auf heutige indigene Völker beziehen und täglichen Fleischverzehr favorisieren. Einige Vertreter der Evolutionsmedizin gehen davon aus, dass die sogenannten Zivilisationskrankheiten in westlichen Industriestaaten überwiegend auf die ›nicht artgerechte‹ Ernährung mit nachsteinzeitlichen Nahrungsmitteln zurückzuführen sind… Die medizinischen Aussagen stützen sich [jedoch] auf Studienergebnisse von Völkern, die heute noch als Nomaden oder Jäger und Sammler leben.« (Wikipedia ›Steinzeiternährung‹) »Menschen haben«, davon ist die Forscherin Vera van Aaken überzeugt, »mit Sicherheit nicht Millionen und Abermillionen Jahre getötet, um zu leben. Form und Art der Zähne unserer Vorfahren zeigen nicht nur, dass Pflanzennahrung wesentlicher Bestandteil ihrer Ernährung war – und dies über einen ungeheuer langen Zeitraum hinweg –, sie machen auch deutlich, dass diese Zähne nicht zum Zerteilen von Fleisch geeignet waren.« (Vera van Aaken ›Männliche Gewalt – Ihre Wurzeln und ihre Auswirkungen‹ 2000, S. 105 f) Dies beweist u.a. der Fund der Überreste des bislang ältesten Urmenschen im Tschad.

»Der starke Unterkiefer und die Zähne des 7 Millionen Jahre alten Hominiden ›Toumai‹ lassen darauf schließen, dass die Kost pflanzlich war, weil die Zähne zum ›Mahlen‹
und nicht zum Verzehr von Fleisch gebraucht worden
waren.«

Die Anthropologin Amanda Henry vom Max-Planck-Institut in Leipzig untersuchte die Zähne, bzw. den Zahnstein von ca. 1,9 Millionen Jahre alten Skeletten aus der Rising-Star-Höhle in Südafrika, welche das Team um den Paläoanthropologen Lee Berger zutage gefördert hatte. Sie fand ausschließlich pflanzliche Kost, Gräser, Rinde, Stängel usw., möglicherweise auch Früchte, »obwohl sie gelegentlich Fleisch gegessen zu haben scheinen« [!] komentiert der Sprecher besserwisserisch. Wir begegnen solchen Bemerkungen immer wieder, als abschließende ›Erklärung‹ von wissenschaftlichen Untersuchungen, die ausschließlich pflanzliche Nahrung nachgewiesen haben. Sie bestätigen und wiederholen damit nur, dass die Mär von den Jägern noch immer geglaubt und verteidigt wird. (›Stunde Null des Menschen‹ arte 6.2.2016)

»Die Phantasie vom ›großen Jäger‹ entsteht nicht allein durch rückwärtsgerichtete Projektion patriarchaler Wissenschaftler. Auch der Erhaltungszustand der Nahrungsreste an den paläolithischen Lagerplätzen bietet die archäologische Grundlage zu derartigen Fehlinterpretationen. Fehlende Pollenanalysen des Bodens und damit der Fäkalien der Bewohner richteten den Blick [öfters] ausschließlich auf den ausgegrabenen Fund von Knochenüberresten.« (Weiler ibd. 1994 S. 89)
Unsinnigen Spekulationen stehen einwandfreie Forschungsresultate gegenüber. Beispielsweise untersuchte Michael A. Hoffman im Gebiet des oberägyptischen Hierakonpolis Koprolithen (fossile Exkremente) und stellte fest, dass die Nahrung dieser Menschen, die 2000 Jahre vor den Pharaonen hier lebten, aus stärkehaltiger und vegetabiler Nahrung bestanden hatte. »Die überraschende Spur von Torfmoos (Sphagnum) in einer der menschlichen Koprolithezeigt die Nähe von Mooren, also von wasserreichen Auen. Obwohl hier auch Tierknochen gefunden wurden, ist es für ihn kein Beweis, dass Tiere in dieser Zeit zum Speiseplan gehörten« (Hoffman ›Egypt before the Pharaos‹ 1979, S. 159. s. auch Wolf ausführlich ›FischerInnen und SammlerInnen‹).

In der demotischen Schöpfungslehre Ägyptens wird den Menschen ausschließlich vegetabilische Kost zugewiesen

Von Landtieren als Nahrung ist nicht die Rede. Doch wird in der Lehre für Merikare (ca. um 2050) Amun gepriesen, weil er Tiere als menschli­che Nahrung geschaffen habe. Das sind 1000 Jahre nach der Eroberung Ägyptens durch die fleischessenden Viehzüchter aus dem Norden. Jedoch, schreibt Walter Beltz, »die natürliche Ernährung des Menschen geschieht durch die Erträge des Ackerbaus und des Fischfangs. Die Vorstellung von fleischlicher Nahrung erweist sich als sekundär. Sie ist die Folge der Eroberung des Niltals durch die von Vieh­zucht und Jagd leben­den Nomaden. (Walter Beltz ›Die Mythen der Ägypter‹ 1982, S. 70) Vermutlich waren Rinderzüchter, im Gegensatz zu den weltweiten Fischessern und/oder Vegetariern die ersten und einzigen Fleischesser. Eine Folge davon war, dass durch das Töten – vielleicht verstärkt durch das Essen von Fleisch – die natürliche Hemmschwelle zum Töten übertreten wurde, die Männer sich darüber hinwegsetzten und sich ans Töten gewöhnten. Der deutsche Arzt und Psychiater Joachim Bauer stellte als Folge von Töten ›Hirnschäden durch Traumatisierung‹ fest. »Die sogenannte Frontolimbische Schleife – der Teil im Gehirn, der unsere Aggression in der Regel mäßigt und überprüft, wie sich unsere Handlung auf den anderen und auf uns selbst auswirkt, wird zerstört.« (s. Wissen & Umwelt ›Der ‚Rausch‘ des Tötens‹). Das von Männern erforschte Thema trifft wohl auf Männer zu, jedoch sehr selten auf Frauen.
Interessanterweise beschäftigten sich auch die Bibelschreiber mit der Ernährung der Menschen. Bei Mose 1:29-30 lesen wir: Gott sprach: »Sehet da, ich habe euch gegeben allerlei Kraut, das sich besamt, auf der ganzen Erde, und allerlei fruchtbare Bäume, die sich besamen, zu eurer Speise und allem Getier auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das da lebt auf Erden, dass sie allerlei grünes Kraut essen.« Da scheint Gott für einmal guter Laune gewesen zu sein. Was jedoch jeden Tier liebenden Menschen empören muss, ist Gottes Drohung: »Furcht und Schrecken vor euch soll auf allem Getier der Erde liegen und auf allen Vögeln des Himmels! Alles, was sich auf Erden regt, auch alle Fische des Meeres: in eure Gewalt sind sie gegeben. Alles, was sich regt und was da lebt, soll euch zur Nahrung dienen: wie (einstmals) die grünenden Pflanzen, so weise ich euch (jetzt) alles zu.« (Gott in Genesis Kapitel 9, Verse 2-3; Menge Bibel, 1939)

Von den VegetarierInnen zu den Fleischessern

Ein neues Forschungsergebnis zur ›Jagd der Neandertaler‹ wurde im Sommer 2018 veröffentlicht. Aufgrund einer äußerst fragwürdigen Geschichte, behauptet ein Team unter der Leitung von Sabine Gaudzinski-Windheuser zu wissen: »Hieb- und Stichfest: So jagten Neandertaler vor 120’000 Jahren« (https://www.archaeologie-online.de/)
Bild und Text aus demRekonstruktion des Auftreffwinkels eines Speers Artikel : »Geschätzter Auftreffwinkel des Speeres bei einem stehenden Tier, der die Jagdverletzung im Becken eines ausgestorbenen Damhirsches in Neumark-Nord vor 120’000 Jahren verursacht hat.« (Foto Eduard Pop, Monrepos Archäologisches Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution, Römisch-Germanisches Zentralmuseum). Und weiter behauptet die Archäologin Gaudzinski-Windheuser: »Unsere Vorfahren haben sicherlich bereits vor mehr als einer halben Million Jahren mit der Waffenjagd begonnen. Aber erst jetzt haben wir Nachweise zu der Handhabung von hölzernen speerartigen Objekten.« Solche Waffen wurden im vergangenen Jahrhundert in Clacton in Großbritannien sowie an den deutschen Fundorten in Schöningen und Lehringen entdeckt. Bislang fehlten Nachweise zur Handhabung, obwohl Menschen sicherlich seit mehr als 500’000 Jahren jagen.« (Zur ebenfalls zweifelhaften Interpretation der Speere von Schöningen s. Wolf ›Die absurde Fabel von den ›Pferdejägern von Schöningen‹.)
Die Neandertaler waren, wie alle damals bekannten Völker ein matriarchales Volk. Das könnte die älteste bisher gefundene Bestattung eines ca. 50-Jährigen beweisen, der bekannt wurde als ›der alte Mann von La Chapelle‹. Der rituell bestattete Tote war vor 60’000 Jahren sorgfältig in embryonaler Haltung begraben worden, einer Bestattungsart, die ausschließlich im Matriarchat stattgefunden hat. Sie bereitete den Toten auf die Wiedergeburt aus einer Frau des mütterlichen Blitclans vor. (s.  Das II. Kapitel: ›Seite an Seite zwei Religionen und zwei verschiedene Bestattungsarten‹)

Fleischesser in der Urzeit?
Eine bis heute unbewiesene Hypothese

»Die Steinzeit umfasst einen Zeitraum von rund zwei Millionen Jahren; in diesem Zeitraum lebten verschiedene Spezies der Gattung Homo in unterschiedlichen Lebensräumen. Es gab daher keine einheitliche Steinzeiternährung‹… Der Australopithecus ernährte sich von Früchten, Samen, Pilzen, Wurzeln, Blättern, Eiern und kleinen Tieren [?], aber überwiegend vegetarisch“, schreibt der Autor des Wikipedia Artikel, auf gut Glück. Und weiter behauptet er, ebenfalls ohne jeden Beweis: „Die Kost des folgenden Homo habilis war ähnlich, ebenfalls mit geringem Fleischanteil.« (›Steinzeiternährung‹ Wikipedia). Woher er das wissen will?  Ob Steinzeitmenschen überhaupt Fleisch gegessen haben, konnte nie eruiert und noch weniger bewiesen werden. Tobias Lechler stellte in seiner Dissertation ›Die Ernährung als Einflussfaktor auf die Evolution des Menschen‹ fest, dass eine genaue Rekonstruktion der Ernährung in der Steinzeit und davor nicht möglich sei, und dass man darüber hinaus nicht feststellen könne, ob der moderne Mensch nun genetisch an die Ernährungsweise des frühen Homo sapiens, an die des Homo erectus, des Homo habilis, der Australopithecinen oder noch an die anderer [sich ausschliesslich vegetabilisch ernährenden] Primaten angepasst sei.« Erstaunlich, dass auch Lechner trotzdem eine sehr präzise Aussage macht: So lesen wir auf der Wikipedia-Seite weiter: »Homo erectus war dann in der Lage, die Pflanzennahrung durch Jagdbeute zu ergänzen.« (Tobias Lechler). Weiter wird da behauptet: »Vor ungefähr 1,5 Millionen Jahren begannen die Menschen dann mehr und mehr Fleisch zu verzehren. Seit etwa 700’000 Jahren gehen sie planmäßig auf die Jagd, und seit rund 100’000 Jahren ist Homo Sapiens ein perfekter Waidmann. Wahrscheinlich bestand dessen Nahrung überwiegend aus Fleisch – hinzu kamen Wildgemüse und Obst.« (Wikipedia ›Steinzeiternährung‹) Woher der Autor das weiß, auf welchen Fakten seine Thesen beruhen, ist völlig schleierhaft und verrät er uns leider auch nicht. Die Mär von der Jagd und die Mär von den fleischfressenden Steinzeitmenschen bedingen sich gegenseitig. Getoppt wird die Vermutung der fleischfressenden Steinzeitmenschen noch von der wilden Vermutung eines Wissenschaftlers, der aufgrund einer Schädeldecke vermutete, »wahrscheinlich aßen sie das Gehirn, also waren sie Kannibalen!«

Wie wir wissen, Männer lesen im Allgemeinen wenig – die einen den Sportteil oder den Autoteil, die andern die Börsenberichte – und darüber hinaus ignorieren sich selbst überschätzende patriarchale Männer nur allzu oft die Kulturbeiträge der Frauen und lesen auch keine Fachbücher von Frauen. Sie könnten nicht selten davon profitieren und weniger blamablen Unsinn erzählen.

Es gibt wenig gesicherte Daten, doch seit das Märchen von der Zeit der ›Großen Jäger‹, bzw. der ›Jäger und Sammler‹ erfunden wurde, geistert der Mythos durch die gesamte wissenschaftliche Urgeschichtsschreibung und die Mär wird ständig nachgeplappert, denn allzu schön ist die Geschichte der ›Großen Jäger der Urzeit‹. Es wird behauptet, zum Fleischesser geworden, habe sich das Gehirn des Mannes vergrößert. Fleischesser (Männer) so wird behauptet, seien weitaus intelligenter als andere Leute, was jedoch auch nur eine Vermutung ist. Schließlich seien z.B. wichtige Männer wie beispielsweise Politiker und Kirchenfürsten Fleischesser! – Was allerdings nicht gerade ein überzeugendes Argument ist, wie gerade das nächste Zitat dokumentiert:

Erst die Jagd machte den Mensch zum Menschen.
(Hermann Parzinger, Welt.de, )

Diesen Satz und die folgende Behauptung Parzingers muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen: Als »Phase der kulturellen Menschwerdung« beschreibt er in seinem Buch ›Die Kinder des Prometheus: Geschichte der Menschheit vor der Erfindung der Schrift‹ die spezialisierte Jagd. Der Erfolg beim Jagen, das Zerteilen, Verarbeiten und Transportieren der Beute setzte ein gemeinschaftliches Handeln voraus, das zur Voraussetzung für eine »neue Qualität in den sozialen Beziehungen« wurde: »Eine stärkere, prägendere und identitätsstiftendere Erfahrung mit allen Auswirkungen für den sozialen Zusammenhalt einer Gemeinschaft lässt sich schwerlich vorstellen.« (E. Fuhr, B. Seewald) Auch die Behauptung von Florian Stark ist nicht Ohne: »Als der nackte Affe den Baum verließ, ernährte er sich noch von Pflanzenkost. Erst die Umstellung auf Fleisch brachte den Menschen auf die Spur der Zivilisation. Sie ist der Motor der Evolution.« (Was für ein Irrtum!)

Fische und Muscheln nicht Fleisch trugen zur Entwicklung des Gehirns bei

Die wertvollen Fette, ganz speziell Omega-3-Fettsäuren, spielten bei der Entwicklung des Gehirns eine zentrale Rolle. Es war Fisch, nicht Fleisch, welches das Gehirn des Vor-Menschen weiter entwickelte, denn diese Omega-3-Fettsäuren findet man nicht in Warmblüter-Fleisch. (D. Wolf: Fische und Muscheln nicht Fleisch trugen zur Entwicklung des Gehirns bei) Omega-3-Fettsäuren sind vor allem für Mütter während der Schwangerschaft und das Kleinkind von Bedeutung. Kinder wurden üblicherweise während zwei bis drei Jahren gestillt. »Das Fleisch sonnengedörrter Fische war die erste Speise nach der Entwöhnung.« (Ingrid Gamer-Wallert, LÄ, II, S. 226)
Darwins zahlreiche Veröffentlichungen beeinflussten u.a. auch den Ethnologen Leo Frobenius (1873-1938). Seine ›Kulturgeschichte Afrikas‹ (1933) enthält auch einige unhaltbare Annahmen. Er berichtet beispielsweise über die Vorbereitung einer Antilopenjagd der Buschmänner: »Bevor sie wagten, das begehrte Wild zu verfolgen, malten sie eine Antilope in den Sand und schossen einen Pfeil auf die Stelle ihres Herzens. Nun waren die Jäger überzeugt, das Tier magisch gebannt zu haben – und sie hatten Glück. Sie trafen ihr Opfer mitten ins Herz. Leo Frobenius sah in dieser ›Opfer-Orakel- und Bannungsmagie‹ den Ausdruck des ›Ich- und Machtwillens des Menschen‹ [des Mannes!], der sich ein Opfer unterwirft«. (Frobenius 1933, S. 188, zit. von Gerda Weiler ›Der aufrechte Gang der Menschenfrau Eine feministische Anthropologie II‹ 1994, S. 27) »Frobenius war derart beeindruckt von der Jagdmagie der Buschmänner, dass er glaubte, einem fundamentalen, in allen Zeiten gültigen Verhaltensmuster mann-menschlichen Machtstrebens über die Natur auf der Spur zu sein. Er war überzeugt, den Schlüssel für die Deutung der Höhlenmalerei Franco-Kantabriens gefunden zu haben. Denn auch den Mammuts, den Bisons, den Pferden und Stieren seien Pfeile zugeordnet, die über jene Tiere den Jagdbann verhängten.« (Weiler ibd.) Die Überzeugung vom Machtwillen des Mannes, auch über die Frau, eine noch heute von vielen Wissenschaftlern übernommene Meinung, war damals jedoch nicht unwidersprochen, so dass Frobenius versuchte, ›Jagdmagie in kosmische Magie zu transzendieren‹. »Niemals« – so vermittelte Gerda Weiler der junge französische Führer durch die Höhle von Niaux, »niemals habe der Mann etwas anderes im Sinn gehabt als die Unterwerfung der Tiere, der Natur und sogar des gestirnten Himmels. Der Gedanke faszinierte ihn und er glaubt noch immer an die Jagdmagie-Theorie. Er redete angesichts der Wandgemälde nur von Jägern und magischen Künstlern und vermittelt eine inzwischen überholte Weltsicht an die BesucherInnen.« (Weiler ibd. 1994, S. 28)
Der Prähistoriker Hermann Müller-Karpe schreibt über die Tierbilder in den Höhlen des Jungpaläolithikums: »Hier von einem Beweis für eine Bildmagie zu sprechen ist ganz und gar unbegründet.« Er betont, die Theorie, diese Bilder seien Zeugnisse jagdmagischer Vorstellungen und Praktiken, sie stellten Tiere dar, die man in Zukunft zu erleben hoffte, sei »mit der Darstellungsart dieser Bilder schlechthin unvereinbar« (Hermann Müller-Karpe ›Geschichte der Steinzeit‹ 1976, S. 266).

Jagd- und Krieg kommen mit den indoeuropäischen Eroberern in die Welt

Etliche Wissenschaftler gaben sich bisher alle erdenkliche Mühe, die Welt glauben zu machen und die Fabel aufrecht zu erhalten, dass es sowohl Männerherrschaft, das Patriarchat, als auch Jagd und Kriege ›seit Anbeginn der Menschheit‹ gegeben habe. Jetzt stellten Archäologen jedoch fest, dass sich die Wissenschaftler getäuscht haben, dass sowohl Männerherrschaft als auch Kriege ein Novum der letzten 5500 Jahre sind und zusammengehören. Diese Tatsache, die Matriarchats- und Urgeschichtsforscherinnen schon längst erforscht und öffentlich dokumentiert haben, wird nun endlich von einem männlichen Wissenschaftler bestätigt, dem angesehenen Landesarchäologen von Sachsen-Anhalt, Harald Meller. Er war der Initiator und Leiter der Sonderausstellung ›Krieg – eine archäologische Spurensuche‹ in Halle (6.11.15 – 22.5.16). In Anwesenheit von drei weiteren Wissenschaftlern, dem Ethnologen Jürg Helbling, dem Soziologen und Sozialpsychologen Harald Welzer und dem Philosophen und Theologen Gert Scobel, dem Gesprächsleiter, präsentierte Meller das Ergebnis seiner jahrelangen Forschungsarbeit in der 3sat Wissenschaftssendung ›Scobel‹ am 12.11.15 mit den Worten:

»Während 98 Prozent der Menschheitsgeschichte gab es keine Kriege!«

Das beweist, eine Welt ohne Krieg ist möglich. Richard Fester veranschaulicht die 98 Prozent der Ära vor dem Patriarchat bildhaft: »Wenn man sich die Zeit des Menschen auf dieser Erde mit 2000 Jahren vorstellt, dann gibt es Männerherrschaft erst seit einem Jahr. Und wenn man das grafisch, als eine gerade Linie von zwei Metern Länge darstellt, dann ist der letzte Abschnitt, der Männerrechtliche, nur einen Millimeter lang.« (Wikipedia ›Richard Fester‹) Während der ganzen Urgeschichte lebte die Menschheit zufrieden und in Frieden. Die bisherige felsenfeste Überzeugung, Kriege habe es ›seit jeher‹, ›seit Bestehen der Menschheit‹ gegeben, von Politik und Wissenschaft verbreitet, von der Kirche abgesegnet und in jedem Geschichtsbuch vertreten, ist endlich als Irrlehre überführt.
Erstaunlicherweise gingen die anwesenden Wissenschaftler, inkl. der Leiter der Scobel-Sendung nicht auf die Aufsehen erregende Neuigkeit Mellers ein, reagierten darauf überhaupt nicht, stumm und steif sassen sie da, verzogen keine Miene. Mellers Ankündigung war bei ihnen ohne jede Wirkung, löste bei den Herren weder Erstaunen, Befremden, Betroffenheit, weder Zustimmung noch Widerspruch aus. Gefühle auszudrücken gilt bei patriarchalen Wissenschaftlern als unwissenschaftlich. Sie verhielten sich so, als wäre diese Tatsache nicht eine ungeheure, eine sensationelle, Aufsehen erregende Neuigkeit, die die ganze Kriegstreiberei als patriarchalen Wahnsinn entlarvt, der aus rücksichtsloser Profitgier der Mächtigen dieser Welt auf Kosten der Menschen, die dieser Gier geopfert werden, betrieben wird. Die übrige Presse fand die wissenschaftlich fundierte These nicht einer Erwähnung wert.

Ein auffallender Zusammenhang von Jagd und Krieg

Der Beginn der Jagd und der Kriege fallen mit den Eroberungen der Indo-Europäer im 4. Jahrtausend zusammen. Der ›erste Krieg‹, der kein Krieg, sondern ein erster bewaffneter, brutaler Überfall auf die Stadt Hamoukar, im Norden Mesopotamiens war, wurde um 3500 im nordöstlichen Syrien geführt und endete mit der vollständigen Zerstörung dieser prosperierenden, friedlichen Stadt und weiteren Siedlungen in der Umgebung. (s. D. Wolf ›Der erste Krieg in der Geschichte der Menschheit‹) Die französische Historikerin, Jagdexpertin und Buchautorin Andrée Corvol bringt es auf den Punkt. Sie schreibt:

»Historisch betrachtet ist die Jagd eine Übung für den Krieg.
Die Männer führen gerne Krieg. Sie bringen sich gerne gegenseitig um;
wenn der Krieg vorbei ist, töten sie Tiere…«

»Sie lieben es, Tiere zu töten, sie zu kochen und zu essen, das ist ein Moment, in dem sie im Grunde ohne Frauen sind. Daher gibt es in den Jagdverbänden auch nur sehr wenige Frauen.« (Andrée Corvol ›Histoire de la chasse – L’homme et la Bête‹, La première histoire complète de la chasse à la fois comme sport, mode de vie, tradition, enjeu économique et écologique, 2010)
Einen Zusammenhang von Jagd und Krieg stellte auch der Ägyptologe Wolfgang Helck fest: »Für die Völker des Alten Orients bis nach Ägypten«, schreibt er, bestand »immer eine innere Verwandtschaft zwischen Jagd und Krieg… Wie sehr Jagd und Kampf in der Symbolik ineinander übergehen, zeigt sich besonders auffällig in den Darstellungen vom fahrenden Wagen aus: wie unter den vorwärtsstürmenden Pferden der gefallene Feind liegen kann, so auch das getroffene Tier.« (Helck ›Jagd und Wild im Alten Vorderasien‹ 1968, S.12 f) Auch hier sehen wir, wenn Helck einen Zusammenhang von Jagd und Krieg sieht, gilt das nicht für ›die Völker‹ sondern für die elitäre Schicht, die für die Jagd und den Krieg lebt und dafür Menschen und Tiere in den Tod schickt.

Die Jagd der Könige galt in erster Linie den sakralen Kulttieren der Großen Göttin

›Von der göttlichen Löwin zum Wahrzeichen männlicher Macht‹ titelte Carola Meier-Seethaler ihr Buch zum ›Ursprung und Wandel großer Symbole‹. Sie schreibt, »dass die traditionellen Symbole patriarchaler Kulturen, wie sie in Religion und Kunst erscheinen, ausnahmslos aus dem Symbolschatz vorpatriarchaler Spiritualität schöpften. Und dies gilt für die christlich geprägten Kulturen ebenso wie für alle übrigen patriarchalen Stammeskulturen.« (1993, S. 9)

Die Löwenjagd war das Privileg der Könige der indoeuropäischen Eroberer

image002»Der Kampf gegen wilde Tiere war eine der königlichen Aufgaben«, schreibt der Theologe Jörg Zink und verharmlost damit die brutale Jagd und Verfolgung der Tiere der Göttin. (›Tief ist der Brunnen der Vergangenheit 1988, S. 42)

Links: Die ›Löwenjagd-Stele‹ aus Uruk, zu Beginn des 3. Jahrtausends zeigt einen indoeuropäischen Sumerer bei der Löwenjagd.

Die Jagd, d.h. das Töten von Tieren als Zeitvertreib und aus Liebhaberei wurde erst und ausschließlich von den Königen der indoeuropäischen Eroberer in Ägypten und Mesopotamien dokumentiert; es gibt keinen einzigen Beweis für die Jagd davor. (s. D. Wolf ›Das Abschlachten der Wildtiere: Jagdvergnügen der indoarischen Herrenmenschen‹) Und es gibt auch keinen einzigen Beweis, dass die Männer des Volkes jagten und damit ihre Angehörigen mit Essen versorgten. Doch auf die Mär von den ›heldenhaften Jägern‹ der Urzeit zu verzichten, dürfte bei patriarchalen Männern noch einige Zeit benötigen.
Die neuen Herrscher der eroberten Länder waren die ersten und einzigen Männer, die jagten und – wie die Jagd-Stele aus Uruk zeigt – auch propagandistisch festhielten. Die Männer, Angehörige der indoeuropäischen Eroberer, sind bewaffnet, der eine mit Pfeil und Bogen, der andere mit einem Speer. (s. Wolf Der ›Bärtige‹ in ›Wer waren die Sumerer?‹)

 Jagd und Krieg sind Demonstrationen patriarchaler Tötungsmacht

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Löwenjagd auf der Jagdtruhe Tutanchamuns (Museum Kairo)

Die Ägyptologin Emma Brunner-Traut beschreibt mitfühlend die Brutalität des Jagens im mesopotamischen Ninive; den Schmerz der Löwin, die von Assurbanipals Pfeilen getroffen wurde. Der Auto­rin geht das gleiche Mitgefühl für die Men­schen und Tiere Ägyptens ab, denn sie hat ja nicht überse­hen, dass auf der Jagdtruhe des Tutanchamun das Bild einer ebenso mörderi­schen Löwenjagd mit ei­nem hal­ben Dutzend von Tutanchamuns Pfeilen durchbohrten Löwinnen ab­gebildet ist. Aber noch schlim­mer: Auf der Rückseite ist nochmals eine Jagd abgebildet, nur dass hier die gejagten und mit Pfei­len durchbohr­ten We­sen nicht Löwinnen, son­dern schwarze Menschen sind, die außer­dem noch von Hunden ge­hetzt und angefallen werden. (s. Brunner-Traut 1987, S. 46).

Die ›königliche Aufgabe der Eroberer‹ und die mörderische Jagd, überliefern nicht nur ägyptische, sumerische, assyrische und iranische Darstellungen der Bronzezeit. In Ägypten führte die sadistische Verfolgung der tierischen ›Feinde des Pharaos‹ bis zur Ausrottung. Seit dem Mittleren Reich mussten aus dem Sudan und aus Libyen lau­fend Tiere eingeführt wer­den, um die ausgerotteten Arten zu er­set­zen. In römischer Zeit ging die Barbarei so weit, dass man Tier­het­zen veran­staltete, bei denen in einem schauerlichen Schauspiel Nilp­ferde gegen Krokodile zu kämp­fen hatten. Der amerikanische Historiker und Soziologe Lewis Mumford schreibt in seiner Geschichte der Kultur und Zivilisation:

»Es besteht kein Zweifel über den Ursprung der bedingungslosen Suprematie und der spezifischen Eigenschaften des Königs: Es war die Jagd, die die Initiative, das Selbstvertrauen, und Unbarmherzigkeit entwickelte, welche Könige üben müssen, um die Herrschaft zu erlangen und zu behalten; und es waren die Waffen des Jägers, die seinen Befehlen, ob sie nun rational oder irrational waren, den Rückhalt der Gewalt verliehen – vor allem die Bereitschaft, zu töten.
 Diese ursprüngliche Verbindung zwischen Königtum und Jagd ist in der gesamten geschriebenen Geschichte [seit 5000 Jahren] sichtbar geblieben: von den Stelen, auf denen sich ägyptische wie assyrische Könige ihrer Tapferkeit als Löwenjäger rühmen, bis zur Erhaltung riesiger Jagdreviere als unantastbare Domänen der Könige unserer eigenen Epoche. Der deutsche Assyriologe Benno Landsberger vermerkt, dass bei den Königen des assyrischen Reichs [Mesopotamien im 2. Jahrtausend] Jagen und Kämpfen faktisch austauschbare Tätigkeiten waren. Der skrupellose Gebrauch der Jagdwaffen, um die politischen und ökonomischen Aktivitäten ganzer Gemeinschaften unter Kontrolle zu halten, war eine der wirksamsten Erfindungen des Königtums… Bisher hat man in den frühesten neolithischen Dörfern keine Jagdwaffen oder gar Kriegswaffen ausgegraben, obgleich sie in der Eisenzeit allgemein gebräuchlich geworden waren.« (Mumford, 1974, p. 199 f)

Nach Nimrod, dem gewaltigen Jäger vor dem Herrn, wird auch Isaaks Lieblingssohn Esau als mächtiger Jäger gerühmt. Wären Jäger ›seit jeher‹ Teil der gesellschaftlichen Gepflogenheiten gewesen, würden sie von den Israeliten in der Bibel nicht einmal erwähnt, nicht gerühmt und zu Helden gemacht, sie hätten ganz einfach und selbstverständlich zu den Beschäftigungen des Alltags und der Nahrungsbeschaffung gehört. Die Jagd wurde von den indoeuropäischen Eroberern, zu denen auch die in der Bibel genannten Herrscher und Propheten gehörten, erfunden und fand erst seit der dynastischen Zeit des Patriarchats statt.

Die Nilpferdjagd stammt aus der späten dynastischen Zeit Ägyptens

Speeren des Nilpferdes Edfu

Seth wird in seiner Erscheinungsform als Nilpferd harpuniert (griechisch-römische Zeit, im Tempel von Edfu, Wikipedia)

Das Nilpferd gehörte zu den Kulttieren der Göttin I-Seth (Isis). Es wurde in der diskriminierten und vermännlichten Erscheinungsform des Seth von den patriarchalen Eroberern bereits ab der 1. Dynastie verfolgt und gejagt. Und so wird das Geschehen im Wikipedia dargestellt: »Die Nilpferdjagd gehörte im Alten Ägypten zu den wichtigsten kultischen und gesellschaftlichen Ereignissen. Diese spezielle Form der rituellen Jagd ist seit der Frühdynastik Ägyptens belegt und war zuerst das Privileg des Königs, später auch der Elite vorbehalten.

Von König Den (1. Dynastie) sind Darstellungen des Herrschers während des Harpunierens des Nilpferds auf Elfenbein-Täfelchen und Steinvasen erhalten. Ab dem Alten Reich sind Reliefs mit der Darstellung einer Nilpferdjagd belegt. Das Nilpferd galt besonders in früher Zeit als Repräsentation des Chaos, der König triumphierte mit der Erlegung des Nilpferds symbolisch über das Böse.« (Wikipedia)

Das Böse, das Chaos, das hier triumphierend besiegt wird, ist das friedliche Matriarchat. Patriarchale Männer brauchen und schaffen sich Feindbilder um sie zu jagen und kriegerisch töten zu können. Zuallererst wurden die Kulttiere der verhassten Göttin von den neuen Herrschern am Nil zu ›Feinden‹ erklärt: Nilpferd, Kro­kodil, das Wild der Wüste, Löwen und Panther, Gazellen und Anti­lopen, Esel, Schweine und sogar Fische, Vögel und Schild­krö­ten wurden gejagt und abgeschlachtet. Hermann Kees stellte fest: »Bei der Kultpropaganda gegen die Krokodile und Nilpferde, besonders die oberägyptischen, sehen wir die Herkunft des Angriffs deutlich. Sie wird getragen von den Falken-Kultorten; in den uns erhaltenen Quellen steht Edfu voran, aber die gleichen Begründungen haben sicherlich auch Kus im Gau von Koptos und andere Orte benutzt.« (Kees ›Der Götterglaube im Alten Ägypten‹ 1987, S. 133, Hvhb. DW) Kees weist darauf hin, dass diese Propaganda in Verbindung mit dem Königtum bzw. mit dem ›Gottkönigtum‹ stand und deshalb besonders gefährlich war.
Ein Wandbild aus dem Grab des Ti in Sakkara, einem hohen Beamten der 5. Dynastie, zeigt den Grabinhaber, wie er Männer bei einer Nilpferdjagd beobachtet. Sie sind mit langen Holzspeeren bewaffnet, die von den Einheimischen üblicherweise zum Fisches Seeren verwendet wurden. Es handelt sich hier nicht um eine Darstellung der Realität; Nilpferde sind die stärksten und gefährlichsten Tiere im Nil; die leichten Schilfboote hätten einem Kampf mit einem verwundeten Tier niemals standhalten können.

Wirklichkeitesfremde Nilpferdjagd im Grab des Ti in Sakkara

›Nilpferdjagd‹ im Grab des Ti in Sakkara, 5. Dynastie um 2350 (Wikimedia)

Bilder von einer Nilpferdjagd symbolisieren den rituellen Kampf der Invasoren gegen die Macht und Stärke der urgeschichtlichen Großen Göttin, der von der indigenen Bevölkerung verehrten Göttin I-Seth/Isis (Set = Frau, Dame). Bei diesem brutalen Kampf ging es um die bildhafte Verfolgung und Ermordung der Göttin. Das Patriarchat erfand die ersten männlichen Götter und den Jenseitsglauben, um sich vom bisherigen Glauben an die Wiedergeburt und damit aus der von patriarchalen Männern vermaledeiten Abhängigkeit vom Körper einer Frau, unabhängig zu machen.

Die Verharmlosung und Adelung des Tötens

Noch immer werden Jagd und Krieg
»mit einem unbegründeten und unerwünschten Glanz umgeben,
um dem männlichen psychologischen Bedürfnis nach Bestätigung
und Absicherung seiner Wichtigkeit entgegenzukommen«.
(Doris F. Jonas)

In den Augen des Jägers adelt Jagen, das heißt, das Töten von Tieren, den Mann. Für den Dramatiker Robert Ardrey, ist es »der Krieg und der Instinkt für Territorien, der zu den großen Errungenschaften des westlichen Mannes«, dem Jagen, dem Krieg und dem Töten führte (African Genesis Und der Biologe E.O. Wilson schreibt, »in der gesamten aufgezeichneten Geschichte waren Kriege üblich« und er behauptet, dass einige der edelsten Eigenschaften des Mannes, wie Teamplay, Altruismus, Patriotismus, Tapferkeit auf dem Schlachtfeld und so weiter, das genetische Produkt der Kriegsführung seien. (s. Sussman S. 123). »Erst der Krieg adelt im Mann die Mannestugenden wie Kameradschaftsgeist, Mut, tapferes Verhalten vor dem Feind. Er vereint die einzelnen zu einem Kollektiv nationaler Opferfreudigkeit und Selbstbesinnung… (›Plädoyer für den Krieg – Eine Satire von Heinrich Wiesner‹ Die Zeit Sherwood L. Washburn glaubt, der Mensch habe 99 Prozent seiner Geschichte als Jäger verbracht und wir würden unsere Biologie, unsere Psychologie und unsere Gewohnheiten den Jägern der Vorzeit verdanken. »Washburn setzt die ›Psychologie des Fleischfressers‹ mit einem Trieb zum Töten und der Lust am Töten gleich. Er schreibt: »In früheren Zeiten unterhielten König und Adel Parks, in denen sie dem Sport des Tötens zu ihrem Vergnügen nachgehen konnten, und heute [1968] gibt die Regierung der Vereinigten Staaten viele Millionen Dollar aus, um den Jägern Wild zur Verfügung zu stellen.« (zitiert von Erich Fromm, ›Anatomie der menschlichen Destruktivität‹ 1974, S. 116)

Die Unterstützung von Regierungen zur Förderung der Jagd,
ist dann nicht mehr notwendig, wenn Kriege in aller Welt angezettelt werden,
wo junge Männer die ihnen anerzogene Tötungsbegeisterung befriedigen können.

Washburn weist auch auf die Beliebtheit des Krieges hin: »Bis vor kurzem sah man den Krieg fast genauso an wie das Jagen. Andere Menschen waren einfach das gefährlichste Wild. Der Krieg war in der Menschheitsgeschichte [ab der Zeit des Patriarchats!] viel zu wichtig, als dass er für die daran beteiligen Männer nicht ein Vergnügen gewesen wäre. Erst in neuerer Zeit hat man durch die völlige Veränderung des Charakters und der Bedingungen des Krieges angefangen, gegen diese Institution zu protestieren und den Krieg als einen normalen Bestandteil der nationalen Politik und einen allgemein anerkannten Weg zum persönlichen sozialen Ruhm in Frage zu stellen.« (s. Wolf ›Wer war Menes ?‹)
Washburn stellte fest: ›Bis zu welchem Grade die biologischen Grundlagen des Tötens der menschlichen [männlichen!] Psychologie einverleibt sind, kann man daran ermessen, wie leicht man Jungen für das Fischen, das Kämpfen und für Kriegsspiele interessieren kann. Es ist nicht so, als ob diese Verhaltensweisen unvermeidlich wären, aber sie sind leicht zu erlernen, gewähren Befriedigung [!] und werden in den meisten Kulturen sozial honoriert. Die Geschicklichkeit im Töten und die Lust daran werden normalerweise im Spiel entwickelt, und die Verhaltensmuster des Spiels bereiten die Kinder [die Jungen!] für ihre Rolle als Erwachsene vor.« (Erich Fromm) Fromm kommentiert: »Washburns Behauptung, viele Menschen hätten Freude am Töten und an der Grausamkeit, stimmt bis zu einem gewissen Grad, doch bedeutet es nichts weiter, als dass es sadistische Personen und sadistische Kulturen gibt; aber es gibt auch andere, die nicht sadistisch sind. So wird man zum Beispiel feststellen, dass Sadismus sehr viel häufiger bei frustrierten Menschen und in sozialen Klassen anzutreffen ist, die sich machtlos fühlen und wenig Freude am Leben haben, wie dies beispielsweise bei der untersten Klasse in Rom der Fall war, die für ihre materielle Armut und soziale Ohnmacht mit sadistischen Schauspielen entschädigt wurde, oder auch beim Kleinbürgertum in Deutschland, aus dessen Reihen sich Hitlers fanatische Gefolgsleute rekrutierten.« (Fromm ibd. 1974, S. 116 f)
Es ist auffallend, wie oft und gern sich heutige Autoren religiöser, göttlicher, heiliger, überragender und pathetisch überhöhender Attribute für die Jägerei bedienen und die Macht zu töten mit einem Heiligenschein umgeben. Den falschen Glanz bekam die Jägerei erst durch die patriarchale Propaganda. Hätte es die Jagd ›schon-immer‹ gegeben und wäre sie schon im Altertum heiliggesprochen worden, hätte Mann garantiert einen Jägergott mit einem Jägerkult erfunden, wie er vom Priester Johannes Maringer phantasiert wird (s. weiter unten). Die wunderbar bemalten franco-kantabrischen Höhlen wurden vom katholischen Abbé Henri Breuil schon als ›Kathedralen eines Jägerkultes‹ interpretiert; doch auch er täuschte sich, Höhlen galten der Verehrung der Göttin. (s. Wolf ›Höhlen – die frühesten Heiligtümer der Religion der Göttin‹, in D. Wolf ›Das wunderbare Vermächtnis der Steinzeit und was daraus geworden ist‹ 2017) Die römische Jagdgöttin Diana und die griechische Artemis sind späte Erfindungen, die gab es in der Urzeit nicht. In der Ägyptologie führte das Reinwaschen der tötungslustigen Herren­menschen bisweilen zu unglaublichen Auswüchsen. So beteuerte etwa Emma Brunner-Traut, dass die Herren, die zum Vergnügen jagten, dies nicht oh­ne ›Verantwortungsbewusstsein‹ taten: »Mit der gewissen­sentlasten­den Er­klä­rung des zu jagenden oder zu opfernden Tieres zum Feind kommen die Ägypter der ethischen Forderung Albert Schweitzers entgegen, sich über die, wenn schon nötige Tötung von Tieren Re­chenschaft zu geben. Auch mag es das Schlachten und Ja­gen er­leich­tert haben, dass sich die Ägypter der Entzweiung der Natur (Hegel) bewusst waren, d. h., dass sich das Leben nur durch Töten er­hält«. (Brunner-Traut LÄ, VI, S. 558 f, Hvhb. DW.)
Die zahlreichen Tierdarstellungen der Steinzeit verehren die Göttin als Schöpferin der Tiere. Sie sind ebenso wie die Menschen ihre Geschöpfe, die im Verständnis der damaligen Zeit mit Sicherheit nicht zur Jagd bestimmt waren; Jagen und Töten waren bis in die patriarchale Zeit tabu und niemals heilig. Das Gebot ›Du sollst nicht töten‹, betraf weltweit auch die Tiere und stammt offensichtlich aus der matriarchalen Kultur. Auch Haustiere wurden nicht getötet. Die Kuh war das heilige Tier der ägyptischen Göttin Isis. »Es kann deshalb nicht überraschen, dass den Ägyptern der Genuss von Kuhfleisch noch in späteren Zeiten ebenso verabscheuungswürdig erschien wie Kannibalismus. Kühe wurden niemals geopfert« (W. Robertson Smith ›Die Religion der Semiten‹ Freiburg 1899, S. 231). Auch nicht die ursprünglich heilige Muttersau, das Symboltier der Göttin Nut, die ihre Jungen säugt. Die Volksüberlieferung bezeugt, dass das Leben des Schweines und Schafes, vor allem aber des Rindes seit alters her als heilig galt. (Smith S. 232).
Zwar behauptet Helck: »Sicher [!] ist auch das Schwein gegessen worden, jedoch fehlt dafür jeder Hinweis.« (LÄ, I, 1268) Wie kann man nur so eine vernunftwidrige, unsachliche Behauptung aufstellen? Schweine wurden als intelligente Haustiere gehalten, nicht zum Gegessen werden, sondern zum Einstampfen der Saat und als Alles­fresser, die für Hygiene sorg­ten und giftige Schlangen von den Besiedlungen fernhielten. Die ursprüngliche Heiligkeit der Muttersau als sakrales Tier der Göttin, dürfte der wahre Grund sein, warum das Essen von Schweinefleisch bei den Juden und den Moslems bis heute tabu geblieben ist. Millionen von InderInnen haben die vegetarische Ernährung aus der matriarchalen Zeit beibehalten. Hier sind Kühe noch immer heilig und dürfen nicht getötet werden. Jagd und Töten von Tieren ist verpönt. So schreibt der Religionswissenschaftler Helmut Uhlig:

»Der Mann als Waffenträger, als Jäger und Schütze, der fremdes Blut vergießt und immer wieder tötet, wird damit vor der Leben schenkenden, Leben erhaltenden Mutter zu einem niederen Geschöpf, so, wie in einigen asiatischen Ländern – besonders im Bereich des Hinduismus und Buddhismus – Berufe, die mit dem Töten von Tieren zusammenhängen, als unrein und herabwürdigend gelten.« (Helmut Uhlig)

Gewalt und Töten hat sich tragischer Weise in den patriarchalen Mono-Religionen als ›spirituelle‹ Dimension, als Instrument der Ausbeutung, der Unterdrückung und Kontrolle erhalten. »Der Theologe Georg Baudler sakralisiert die Gewalt, wenn er schreibt, ›die Jagd des Menschen auf das große, gewaltige Tier‹ spiegele das religiöse Erleben des Mannes. Ein Weltbild, das Gewalt sakralisiert, bietet keine Überlebensperspektive für die Spezies Mensch. Zudem spricht religionsgeschichtliche Entwicklung dagegen, dass ›männlicher Machtwille in der Urhorde dominiert‹ habe.« (Weiler ibd. 1994, S. 165 f, Hvhb. DW)

Angebereien und Übertreibungen:
Jagdbegeisterte Männer schaffen immer neue Legenden!

Im Internet ist der folgende unüberbietbare Unsinn zu lesen: ›In der Sierra da Guadarrama in Spanien wurden die Überreste von 80 großen Tieren entdeckt, die vor 300’000 Jahren dort erlegt wurden. Im französischen Solutré, unterhalb eines Felshanges, fanden Forscher die Gebeine von 100’000 Pferden, die vor 25’000 Jahren von den Cro-Magnon Menschen über den Abgrund in den Tod gehetzt wurden‹! (http://www.steinzeitung.ch/index.php/leben-in-der-steinzeit/steinzeitjaeger) In einem Dokumentarfilm auf arte (29.9.12) fabuliert der Evolutionsbiologe Daniel Lieberman, der Mann habe schon große Tiere gejagt und gegessen, lange bevor er Waffen zum Schutz und zur Jagd besaß, einfach indem er seine Beute zu Tode hetzte. (›Die Geheimnisse des perfekten Läufers‹, Dokumentarfilm auf arte (29.9.12).
Zahlreich sind völlig aus der Luft gegriffene Behauptungen, wie ›Spuren an den gefundenen Steinklingen weisen darauf hin, dass sie zur Jagd eingesetzt wurden.‹ Für eine solche Behauptung fehlt effektiv jede Spur, jeder Beweis! Journalisten, Waffennarren, Jagdphantasten und Maulhelden prahlen von ›Hightech-Steinzeitmessern, denn mit scharfen Waffen jagte es sich besser.‹ Oder: ›Das Prinzip der Waffenherstellung war raffiniert und sehr zielführend.‹ Das ist unwissenschaftlicher, unsorgfältiger, blödsinniger Sensations-Journalismus. Unter dem Stichwort Acheuléen (1,5 Mio.–150’000, präzisiert als ›vor heute‹!) findet sich im Wikipedia, den mit großer Sicherheit vorgetragenen Satz: »Größeres Wild zum Beispiel Waldnashorn und Waldelefant, wurde bereits regelmäßig gejagt, wie man aus dem recht häufigen Fund von Knochen zusammen mit Werkzeugen des Acheuléen erkennen kann«. Kann man Jagd wirklich am häufigen Fund von Knochen erkennen? Auch Tiere sterben eines natürlichen Todes und hinterlassen Knochen! Nach Tausenden von Jahren, findet man vor allem die Knochen großer Tiere und Stoßzähne, wie wir bei Mammut-Friedhöfen sehen, derweil die Knochen von Mäusen und anderem Kleingetier längst zu Staub zerfallen sind. Einige Autoren versuchen männliche Tötungslust zu verharmlosen indem sie uns glauben machen wollen,der Mann hätte diese Tiere gejagt, um sich vor ihnen zu schützen, um nicht deren Beute zu werden, und weil sie oft gefährlich nahe an die Menschen herankamen.
Phantasierte Jäger bedingen phantasierte Waffen! Der Paläontologe Wolfgang Soergel ging in seiner Arbeit ›Die Jagd der Vorzeit‹, »wie selbstverständlich davon aus, dass alle Artefakte der Altsteinzeit dem Mann zur Betätigung gedient haben. Daher studierte er sie unter dem Gesichtspunkt, ob sie als Waffen oder als Werkzeuge für die Herstellung von Waffen tauglich gewesen seien. Handelte es sich bei den steinernen ›Faustkeilen‹ um Waffen für den Nahkampf oder um Speerspitzen, die auf hölzerne Stangen aufgebracht worden sind? Durch eigene Versuche stellte er jedoch fest, dass Speere mit derartigen Spitzen viel zu schwer gewesen wären und die Wurfweite stark beschränkt hätten. Zudem gelang es nicht, mit einem Silex-Speer auch nur die Weichteile eines frisch getöteten Kalbes zu durchstoßen. Soergel musste zugeben, dass ›dieser experimentelle Befund der Auffassung altpaläolithischer Artefakte als Speerspitzen sehr ungünstig ausfiel… Mit keinem Artefakt der altpaläolithischen Kulturen kann ein Wurfspeer, der auf größere Entfernung noch entscheidende Wunden beibringen soll, hinreichend bewehrt werden.‹ Dagegen war die Schnittwirkung der Werkzeuge beim Abhäuten und Zerlegen von Tieren eine ganz erstaunliche. Selbst strafferes Unterhautgewebe, starke Sehnenbänder an den Gelenken und der Muskulatur ließen sich mühelos in kurzer Zeit durchtrennen. Daher weicht der Wissenschaftler auf die Deutung aus, die Verwendung dieser Artefakte zu ›geschäfteten Messern, Dolchen, überhaupt zu kurzen Stoßwaffen‹ sei am wahrscheinlichsten.« (Weiler ibd. 1994, S. 79) Zu den Phantasien erfundener Waffen der Steinzeit s. Wolf ›Waffen‹, die die Jagd in der Steinzeit beweisen sollen‹.
Fress- und Schneidespuren an Knochen sollen den Verzehr des Fleisches durch Menschen beweisen. Doch, Tiere und Menschen werden auch von Tieren gejagt, getötet, gefressen und ihre Knochen abgenagt. Deshalb müssen Verletzungen an Tierskeletten nicht unbedingt von Jägern stammen, sondern können die Folge von Bissen, Schlägen oder Kratzern mit der Pranke von Raubkatzen wie Säbelzahntigern, Löwen, Leoparden, Hyänen oder Spuren von Geiern sein, die nicht nur Aas, sondern auch ausgesetzte menschliche Leichen entfleischten, was dann zur absurden These von Kannibalismus und Menschenopfern verführte.

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Die mächtigen Zähne einer Hyäne hinterließen dieses Spurenrelief an einem Elefantenknochen.  Ralf-Dietrich Kahlke (nano)

Einige Forscher behaupten, dass geöffnete Röhrenknochen beweisen, dass die Menschen das Mark aus den Tierknochen herausgesaugt hätten. Beweise für diese Spekulation gibt es nicht. Nach dem Entfleischen der Knochen mittels scharfer Silex-Klingen wurden die wertvollen Röhrenknochen nicht nur zu Werkzeugen, z.B. Stichelspitzen zum Lochen des Leders, sondern auch zu ganz und gar friedlichen Nähnadeln und sogar zu Flöten verarbeitet.
Der Quartärpaläontologe Ralf-Dietrich Kahlke erforschte in einem Travertin-Steinbruch die längst vergangene Welt der Gesamt-Fauna Mitteleuropas und machte eine interessante Beobachtung. Er stellte fest, dass es nicht Jäger waren, denen das Aussterben des Großwildes angelastet werden kann, sondern dass den Tieren die Nahrungsgrundlage durch die sich wiederholenden Eiszeiten entzogen wurde, weshalb sie schlussendlich abwanderten oder verhungerten. Es waren auch nicht immer von Jägern mit Silex-Schabern verursachte Spuren an Knochen, sondern die mächtigen Zähne einer Hyäne welche ein Spurenrelief am Schulterblattknochen eines Elefanten hinterlassen haben. (s. die Abbildung oben) Die BBC Sendung ›Im Reich der Urzeit‹ folgt der Vermutung, dass der Mensch am Aussterben dieser Tiere verantwortlich ist. Doch die Weimarer Forscher glauben, dass vielmehr die Verwandlung der Steppe in Waldgebiet die letzten Mammuts Europas verschwinden ließ. Die Natur sei ein viel effektiverer Killer, als das Bisschen Mensch, um das Mammut verschwinden zu lassen, meinte der Wissenschaftler Kahlke. (nano 3sat vom 4.12.12)
Knochen mit Schnittspuren lassen zwar Vermutungen und Interpretationen zu, Beweise, dass diese Knochen von gejagten Tieren stammen, die geschlachtet, gekocht und gegessen wurden, sind Schnittspuren nicht. Beim Abziehen des Fells mit Silex-Klingen wurden immer Schnittspuren an den Knochen verursacht. Die Felle waren kostbar; sie dienten als wichtigstes Material für Kleider, Decken, Schuhe, Zeltdächer usw.
Übersehen wird, dass Knochen und Geweih vielfach verarbeitet wurden, wie z.B. Rentiergeweih zu Harpunen zum Fischen. Rentiere werden jedoch nicht gejagt, sondern gezüchtet und Züchter sind keine Jäger! Knochen gehörten zu den beliebtesten Materialien für künstlerische Betätigungen, z.B. zur Anfertigung von Schmuck, Anstecknadeln, Frauen- und Tierfiguren, verzierten ›Kommandostäben‹ usw. So bedeutend war die Verarbeitung von Knochen, dass Abbé Henri Breuil die Zeit des Magdalénien (18’000–12’000) am Ende der letzten Eiszeit in verschiedene ›Knochen-Phasen‹ unterteilte.

Wisent auf Knochenrondell, Höhle von Bédeilhac, Ariège (Wikipedia)

Knochen wurden nicht zur Herstellung von Waffen gebraucht, wie Rosenfeld und Ucko behaupten, was reine Spekulationen sind. (›Felsbildkunst im Paläolithikum‹ Andree Rosenfeld und Peter Ucko 1967, S. 20).

Wir müssen auch die auffallende Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass in den Kulthöhlen des Jungpaläolithikums keine Jagd und keine Kampfdarstellungen zu finden sind. Es wurden auch nie eingeschlagene Schädel oder andere Beweise von Gewalt gefunden.

In Ägypten gibt es aus der Zeit  v o r  den Pharaonen keine Abbildungen von Gewalt gegen Mensch oder Tier, keine vom Schlachten oder von toten Tieren  – auch von keiner Jagd!

Hingegen geht die brutale Gewalt nach Narmer weiter; sie wird systematisch angewandt. Der indoeuropäische Chasechemui (Hor-cha-sechemui, Khasekhemwy), der letzte König der 2. Dynastie, gehört mit zu den brutalsten Herrschern der horitischen Eroberer. Aus seiner Zeit entdeckte die ›Hierakonpolis Expedition‹ zahlreiche Skelette bei denen bis zu 15 Axthiebe festgestellt werden konnten, mit denen der Kopf von der Wirbelsäule getrennt wurde (Renée Friedman, ›Nekhen News‹ 11, 1999, S. 3 und 6). In Adaïma weist ein Körper Zeichen einer durchgeschnittenen Kehle auf, der eine Enthauptung gefolgt ist (Toby A.H. Wilkinson ›Early Dynastic Egypt‹ 1999, S. 266).

Die vernunftwidrige Überbewertung der Jagd

Sprache – eine Kulturleistung von Jägern?

Um mit seinen Jagderfolgen auch gebührend angeben zu können, soll der Jäger am Lagerfeuer sogar zum Erfinder der Sprache geworden sein. Die Sprache soll die bisherige Kommunikation durch Mimik, Gestik, Quaklauten und auf die Brust trommeln abgelöst haben. In einem Kulturzeit-Gespräch mit Hermann Parzinger (3sat vom 16.02.2015) antwortet er auf die Frage nach dem Ursprung der Sprache im O-Ton: »Das Aufkommen von Sprache muss in der Tat mit der Weitergabe von Erfahrungen, mit der Organisation einer Gruppe, einer Gemeinschaft, die auf Treibjagden geht, die natürlich und das sieht man sehr früh schon, auf den Lagerplätzen, wo bestimmte Aktionsbereiche abgegrenzt sind. Es gibt die Verteilung von Fundgegenständen wieder. In einem Gebiet hat man die Nahrungsmittel weiter verarbeitet, auf dem anderen Bereich hat man Steingeräte erzeugt und ähnliches mehr. Also erste Ansätze zu einer Arbeitsteilung, all das beginnt schon sehr früh. Noch ein Punkt ist wichtig, eine der ganz, ganz frühen Innovationen des Menschen war die Beherrschung des Feuers und die Feuerstelle war natürlich auch ein sozialer Ort. Ein sozialer Ort, wo man sich getroffen hat. Wir haben später dann bei den frühen Homo sapiens auch Musikinstrumente in der Nähe der Feuerstellen, einfache Flöten, die man dort entdeckt hat. Und Musik, Sprache: wenn Sprache irgendwo entstanden ist, dann ganz, ganz sicher an diesen Feuerstellen, die soziale Mittelpunkte waren, ganz gewiss.« (Parzinger)
Oh je, Herr Parzinger! Sprechen lernen Kleinkinder normalerweise im Kontakt mit ihrer Mutter; bereits im Alter von einem Jahr können Säuglinge einfache Worte, durch Hören und Beobachten der Lippenbewegungen der Mutter nachahmen. Es ist anzunehmen, dass die um die Feuerstelle versammelten Jäger ebenfalls einmal Säuglinge waren, mit denen ihre Mütter bereits mittels der Sprache  kommuniziert haben und deshalb schon als Jugendliche sprechen gelernt und sich an den Feuerstellen bereits ihres Jägerlateins hättten erfreuen können.

»Die Frauen waren der Beginn menschlicher Gesellschaftsbildung –
entscheidend für das Überleben der Art. Sie schufen die Sprache –
und damit die Voraussetzung zu kultureller Entwicklung. Sie erfanden die ersten
Werkzeuge – und legten damit den Grundstein für jede weitere Technologie.«
(Richard Fester) 

»Die Frage nach dem Ursprung der Sprache hat den Geist vieler Denker seit mehr als zweitausend Jahren, seit dem klassischen Griechenland beschäftigt. Männer behaupten, dass schon seit jeher »die Herren der Schöpfung im ausschließlichen Besitz von Intelligenz und Sprache seien und dass Frauen ihr Wissen von den Männern bezogen hätten«. (Jonas ibd. 1979, S. 27) Die biblische Behauptung, ›im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort‹; ist eine späte Erfindung der Bibelschreiber im letzten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung. Die Sprache ist eine Kulturleistung der Mütter, die sich aus dem innigen Kontakt der Mutter mit dem Kind und der Babysprache, dem ersten Lallen, der BA-Silbe und aus dem Saugreflex entwickelte. »Moderne Linguisten wie etwa Richard Fester haben herausgefunden, dass alle Sprachen in quantitativer Hinsicht ein deutliches Übergewicht weiblich mütterlicher Termini zeigen, während Wörter wie Begriffe, die der männlichen Sphäre zuzurechnen sind, seltener und später auftreten.« (Doris Jonas ›Der überschätzte Mann – Die Mär von der männlichen Überlegenheit‹ 1981, S. 49). Nicht umsonst heißt die in der frühen Kindheit erlernte Sprache ›Mutter-Sprache‹.
Die Sozialanthropologin Doris Jonas berichtete von der »Konferenz der Academy of Science in New York im September 1975. Dort seien fünfzig Berichte vorgelegt worden, die sich mit dem Ursprung der Sprache beschäftigen, wobei der wissenschaftliche Tenor dominierte, dass die Sprache bei der Jagd unentbehrlich gewesen und daher auch der Jagd wegen konstruiert worden sei. Die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit bei der Jagd habe die Sprache als Kommunikationsmittel erfordert. Dabei, meinte Doris Jonas, habe niemand daran gedacht, dass die Tiere sicher fortgelaufen wären, bevor die Jäger sie erlegt hatten, wenn das Jagdrevier nicht von absolutem Schweigen erfüllt gewesen wäre (Doris und David Jonas ›Das erste Wort – Wie die Menschen sprechen lernten‹ 1982, S. 46)

Jäger – die Erfinder von Religion?

»Die Überbewertung der Jagd beeinflusst zwangsläufig auch das Bild, das sich die Wissenschaft von vorgeschichtlichen Religionen macht«, schreibt Gerda Weiler. »Die zahllosen weiblichen Figurinen der Altsteinzeit gerinnen zu ›häuslichen Schutzgeistern‹, deren Verehrung angesichts der Jägerkultur eine ›merkwürdige Erscheinung‹ sei«, meint der katholische Priester Johannes Maringer in seinem Buch ›Vorgeschichtliche Religion – Religionen im steinzeitlichen Europa‹ 1956, S. 197). »In Analogie zum heutigen ›Fußball Gott‹ erfindet Maringer sogar einen ›Jägergott‹, einen ›Großen Zauberer‹, einen ›alten Wildherrn‹ und ›Jagdglückspender‹.« (Gerda Weiler ibd. 1994, S. 92 und S. 308). Und weiter meint Maringer: »Die Vielgestaltigkeit der endeiszeitlichen Jägerreligion zeigt noch ein anderer Kult, der vor allem bei den Jägern des Aurignaciens [jüngere Altsteinzeit zwischen 40’000–30’000] hervortritt und dessen Spuren sich von den Pyrenäen bis nach Sibirien finden. In seinem Mittelpunkt stehen eigenartigerweise weibliche Gestalten, dargestellt meistens in Form kleiner Plastiken. In den Erdhütten der Mammutjäger wurden sie den Wänden entlang mit deutlichen Anzeichen kultischer Verehrung angetroffen. Allem Anschein nach haben die Jäger in ihnen Ahnenmütter der Sippe und des Stammes verehrt, unter deren Schutz sie Wohnstätte, Jagd, Ehe, Sippe und Stamm stellten.« (Maringer ibd. S. 309, Hvhb. DW)
Die Religionswissenschaftlerin Ina Wunn übernimmt Maringers unsinnige Behauptung und schreibt: »Im Laufe der Menschheitsgeschichte hat sich das Spektrum der Religionen fundamental verändert. Während in vorgeschichtlicher Zeit ausschließlich bestimmte Formen von Jägerreligionen (!) mit Wild- und Waldgeistern, in ackerbauenden Kulturen auch Formen von Ahnenverehrung das religiöse Weltbild beherrschten…« (Ina Wunn ›Die Entwicklung der Religionen aus evolutionshistorischer Sicht‹)
Die Rolle der Jäger ist eine die Urgeschichte beherrschende Fehleinschätzung patriarchaler WissenschaftlerInnen und TheologenInnen. Der Fehler basiert u.a. auf der Fehlinterpretation von den Hunderttausenden der kunstvollen, pfeilförmigen Artefakte.

Jäger – die Schöpfer der ersten Kunst-Artefakte?

Die Anthropologen und Paläoanthropologen S.L. Washburn und C.K. Lancaster glauben sogar, den Beginn der Kunst in den Waffen des Jägers zu entdecken. »Sie weisen darauf hin, schreibt Sally Slocum, dass die symmetrischen acheulischen Faustkeilwerkzeuge die frühesten, schönen, von Menschenhand geschaffenen Objekte seien. Und obwohl wir nicht wissen, wofür die Werkzeuge benutzt wurden, argumentieren sie, dass die Symmetrie darauf hinweise, dass sie geschwungen gearbeitet worden sein könnten, weil Unregelmäßigkeiten zu Abweichungen in der Fluglinie führen. Es könne gut sein, dass es der Versuch war, effiziente Hochgeschwindigkeitswaffen herzustellen, der zuerst schöne, symmetrische Objekte hervorbrachte.« (Sally Slocum ibd.)

»Das Evolutionsmodell vom Mann als Jäger und Krieger hat, mit wenigen Ausnahmen, alle Interpretationen paläolithischer Kunst beeinflusst. Dies änderte sich erst gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, als auch Frauen in den Forschungsteams mitarbeiteten«. (Riane Eisler ›Von der Herrschaft zur Partnerschaft‹ 1989 S. 36)

Die ›Großen Jäger‹ der Urzeit sind ein Mythos

Eine Hypothese, eine unbewiesene Annahme, ein Konstrukt, um den Zeugnissen der (natürlichen) Dominanz der Frau der Altsteinzeit, der Gebärerin und Erhalterin des Clans, etwas überragend Männliches, Heldenhaftes entgegen zu halten, die bis heute durch keine Funde irgendwelcher Art bewiesen wurde. Es ist patriarchales Wunschdenken, Eitelkeit und Behauptungen, die sich der Überprüfbarkeit entziehen.
Jagd- und Tötungslust werden eindeutig erst in der Bronzezeit durch die kriegerischen Eroberer, marodierenden indoeuropäischen Junggesellenbanden, die sich vom Mutterclan abgespalten hatten, evident. Sie machten sich zu ›Herren der Welt‹, was in der dynastischen Zeit bei der Herrscherkaste in Sumer und Ägypten besonders deutlich wird.
Im Kampf gegen die überwältigende Menge von Zeugnissen des Primats weiblicher Symbole – und die schiere Abwesenheit von Belegen männlicher Bedeutung in den langen Epochen der Urzeit – erfanden patriarchale Wissenschaftler für sich eine grandiose Vergangenheit als große Jäger, um sich Geschichte, Identität und Wichtigkeit zu geben, die sie nach den fehlenden Zeugnissen einfach nicht hatten. Es gilt dabei zu beachten, dass die frühen Wissenschaftler sich einerseits aus den Kreisen der Kleriker und Mönche und anderseits aus der wohlhabenden bürgerlichen Schicht rekrutierten, bei denen Jagen zu den beliebtesten Beschäftigungen gehörte. (s. W.G. Theilemann ›Adel im grünen Rock‹). Für die Oberschicht war es selbstverständlich, dass Privilegien wie die Jagd ihnen vorbehalten war.

Die Mär unterstützt die Allmachtsphantasien
des patriarchalen weißen Mannes

Die Mär von den Großen Jägern kann man vergessen. Die von Klaus Schmidt und einigen weiteren Anhängern der Jagd-Phantasie verbreitete Ansicht, es seien ›jägerische Kulturen‹, die während 2 Millionen Jahren die Welt dominierten, entbehrt jeder Grundlage. »Bis in die 1970er Jahre wurde die Anthropologie als akademische Disziplin hauptsächlich von weißen westlichen Männern entwickelt. Aufgrund der begrenzten Sichtweise kreiste die Forschung um die immer gleichen Fragen und Antworten. Mit der Frauenbewegung in den USA und der zunehmenden Anzahl weiblicher Studentinnen in der Anthropologie wurde die Disziplin auf ihre eigenen Blindheiten hin befragt. Dabei wurden insbesondere solche anthropologischen Theorien kritisiert, welche die menschliche Evolution einseitig als eine Entwicklung des (männlichen) Jägers darstellten. Eine in den 1950er Jahren prominente Evolutionstheorie war die des ›Man The Hunter‹, die davon ausging, dass der heutige Mensch und dessen Weltsicht sich im Besonderen durch die Lebensweise als Jäger entwickelt habe. Dahinter steht die Idee, dass Männer die Quelle der Kultur sind, weil die Jagd Kooperation und Organisation in der Gruppe erforderte, was zur Entwicklung von Sprache, Werkzeugen, Kunst, Gesellschaft, Politik usw. führte.« (Wikipedia ›Sally Slocum‹)

Es geht um die Deutungshoheit der Vergangenheit

  1. Diese Deutungshoheit ist patriarchalen Wissenschaftlern von großer Wichtigkeit. Nur durch die einseitig männliche Geschichtsschreibung ist es möglich die Mär von den Großen Jägern und das Patriarchat aufrecht zu erhalten. Erst seit auch Frauen in der Forschung zu arbeiten begannen und in den siebziger Jahren ihre eigenen Forschungsresultate veröffentlichten, begann langsam ein Umdenken. Bis dahin gingen amerikanische und europäische Wissenschaftler ganz einfach davon aus, dass Männer – die Jäger und mit ihnen die Krieger und Helden der Urzeit – seit jeher die Welt und die Frauen dominierten. »Die in den westlichen Ländern vorherrschende Überzeugung von der universalen Überlegenheit der Männer über die Frauen wird wie ein Giftstoff von Generation zu Generation weitergegeben«, schreibt die Anthropologin Helen Fisher. Aber dominierten die Männer wirklich weltweit? Und war das schon immer so? Der Gedanke, dass kein Geschlecht das andere dominierte, war eine Vorstellung, die westlichen Gelehrten offensichtlich fremd war. Fixierung auf hierarchisches Denken und tiefverwurzelte Vorurteile über Geschlechterrollen prägten die wissenschaftlichen Analysen anderer Völker.« (›Anatomie der Liebe‹ 1993, S. 273) Die norwegische Soziologin Elise Boulding hat in ihrem Buch ›The Underside of History: A View of Women through Time‹, 1976. Ein Blick auf Frauen durch die Zeit) hat gezeigt, dass»

 »der Mythos vom ›Mann-als-Jäger‹ und seine andauernde Wirkung sozial-kulturelle Produkte sind, die der Aufrechterhaltung der männlichen Herrschaft und Hegemonie [Führungsrolle] dienen.« (zit. von Gerda Lerner 1991, S. 37)

(s. auch: Doris Wolf ›Das wunderbare Vermächtnis der Steinzeit‹ 2017, mit Kapiteln über ›Die Felsbildkunst – Geheimnisvolle Botschaften aus der Steinzeit‹ – Die Mobile Kunst der Steinzeit und die Verehrung der Vulva‹)

»Die Theorien zur Humanevolution haben so manchen Mythos kreiert.
Aber die mit dem Phänomen des Jagens beschäftigten, sind die
 versponnensten und auch gefährlichsten.« (Richard E. Leakey)

 


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