Das irritierende Wandbild von Hierakonpolis
Aus dem Inhalt:
- Die erste Residenz der Eroberer
- Die Anfänge der Besiedlung liegen 8000 Jahre zurück
- Das bemalte ›Grab Nr. 100‹: Jagd-Idyll oder kriegerischer Überfall?
- Das irritierende Wandbild von Hierakonpolis:
Es beweist die gewaltsame Eroberung - Wie die Wissenschaft das Bild interpretiert
- Mit Schiffen durch die ägyptische Wüste: Vom Roten Meer ins Niltal
- Sie kamen mit einer ganzen Armada
Die erste Residenz der Eroberer
Die frühen ArchäologInnen und ÄgyptologInnen – Frauen und Männer, vor allem aus England – wiesen überzeugend nach, dass Eroberer vom Roten Meer ins Niltal vordringend, die oberägyptische Stadt Nekhen (von den Griechen Hierakonpolis, Falkenstadt, genannt, heute Kom el-Ahmar), zu ihrer Residenz gemacht hatten. Nach dem erfahrenen Archäologen des Nahen Ostens, Flinders Petrie, der diese früheste Invasion zeitlich an die Jahrtausendwende vom 4. ins 3. Jahrtausends ansetzte, was auch von anderen frühen ArchäologInnen und ÄgyptologInnen bestätigt wurde, wollen spätere Ägyptologen, insbesondere der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland nichts mehr wissen – und das bis heute. (s. ›Ägyptologie, Patriarchat und Faschismus‹)
Der Ägyptologe Michael A. Hoffman publizierte seine langjährige Arbeit in Hierakonpolis u.a. in seinem Buch ›Egypt before the Pharaohs: The Prehistoric Foundations of Egyptian Civilization‹ (1980) und leistete den wohl wichtigsten Beitrag zum urgeschichtlichen Ägypten und dem Beginn des männlichen Königtums. Er stellte die berechtigte Frage: »Waren die frühen urbanen Gesellschaften des Iranischen Plateaus und Mesopotamiens mit dem frühesten Königtum am Nil verbunden – und wenn ja, wie?«, (›Egypt before the Pharaos‹ 1980, S. 129).
Die außerordentliche Bedeutung der bereits im Neolithikum bestehenden oberägyptischen Hauptstadt Nekhen wird von Michael A. Hoffman betont: »Wir sollten uns daran erinnern«, mahnt er, »dass das Studium des Aufstiegs einer Eliteklasse in Nekhen von allgemeiner Bedeutung für die ägyptische Geschichte und die Theorie einer Staatsgründung ist. Die archäologischen Entdeckungen in Nekhen unterstützen die Behauptung, dass in dieser Region der Aufstieg der Pharaonen begann« (Hoffman et al. ›Egypt before the Pharaos‹ London 1980 und ›The predynastic of Hierakonpolis‹ 1982, S. 59).
Hier wurden die wichtigsten Zeugnisse der Invasion gefunden, die ins dynastische Ägypten führten. Dazu gehört die berühmte Narmer-Palette – unverkennbar aus demselben grünschwarzen Schiefer, in derselben vollkommenen Kunst, wie wir sie in künstlerisch ausgereifter Bearbeitung aus dem iranischen Aratta kennen. Hier fand man auch einen goldenen Falkenkopf in vollendeter Goldschmiedekunst, wie man sie in Aratta herstellte, die in Ägypten zu dieser Zeit jedoch nicht möglich war. Dazu kamen birnenförmige Keulen in »großer Zahl« (Flinders W.M. Petrie ›Prehistoric Egypt› 1921, S. 22). Die Keule ist die charakteristische Totschläger-Waffe der Indo-Europäer. Sie bleibt während 3000 Jahren das barbarische Herrschaftssymbol der ägyptischen Könige und nach 5000 Jahren noch immer in den Händen der schlagenden Polizei aller Länder.
Die Anfänge der Besiedlung liegen 8000 Jahre zurück
Heute besteht Gewissheit: Die Spuren menschlicher Besiedlung in Nekhen reichen bis ins 6. Jahrtausend zurück. Spätestens zu Beginn des 4. Jahrtausends wurde der Grundstein für eine städtische Besiedlung gelegt. Innerhalb weniger Jahrhunderte vergrößerte sich die Ansiedlung explosionsartig auf schätzungsweise 5’000 bis 10’000 Bewohner (Hoffman et al. ibd. S. 181). In Nekhen wird die Ansicht widerlegt, das neolithische Ägypten sei ohne Städte gewesen.
Ab der zweiten Hälfte des 4. Jahrtausends finden hier auffallende Veränderungen statt. In Friedhöfen, die getrennt von jenen der Einheimischen angelegt waren, wurden fremdartige Gräber freigelegt. Im Gegensatz zu den bisher ovalen Gruben, in denen die Menschen in embryonaler Stellung begraben wurden, sind sie in einer für Ägypten unüblichen, für die indoeuropäischen Kurganvölker jedoch üblichen rechteckigen Bauweise aus Lehmziegeln gefertigt. Im frühsumerischen Mesopotamien fand man bei den neuen Gräbern die gleiche auffällige Veränderung.
Etwa um 3300 schützte man Hierakonpolis mit einer starken Mauer. Aus der Zeit der ersten Dynastien fallen Überreste einer riesigen militärischen Festung auf; man vermutet, dass dies die erste von weiteren Militäranlagen ist, die in der Folge von den Eroberern gebaut wurden.
Walter Emery vertritt die Meinung, dass die ersten ägyptischen Häuptlinge richtig organisierte Kampftruppen hatten und die Festungen von Hierakonpolis und die etwas spätere von Abydos eindeutig nach militärischen Abwehrprinzipien gebaut worden waren, die maximalen Schutz boten (Walter B. Emery ›Archaic Egypt‹ 1987, S. 116 f.).
Das bemalte ›Grab Nr. 100‹: Jagd-Idyll oder kriegerischer Überfall?
1899 stiess der Entdecker F.W. Green in Hierakonpolis auf ein bemaltes ›Grab‹, einen Raum mit einer auffallenden Wandbemalung, das er als der ›Neuen Rasse‹ zugehörig bezeichnete (Hierakonolis II, 1902). Das Grab wurde unterdessen in die Zeit des Umbruchs, die Nagada III-Zeit um 3100 datiert (Klaus Baer), das sind ca. 50 Jahre vor dem Beginn der ersten Dynastie um 3050.
Werner Kaiser schreibt in den Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo: Die eigenartige Anlage mit der Wandmalerei nehme gegenüber allen anderen bisher bekannten Bauten eine so einzigartige Sonderstellung ein, dass eine Möglichkeit, sie in das allgemeine Bild dieser Kultur einzuordnen, bisher vornehmlich darin gesehen wurde, das Außergewöhnliche des Befundes auf diese oder jene Weise abzuschwächen. (MDAIK 16, 1958, S. 187 f., Hvhb. DW)
Das Grab sorgte nicht nur für Unruhe wegen seiner Datierung in die Zeit des Umbruchs und dem Bau in mesopotamischer Ziegelbaustruktur; »noch aufregender waren die lebendig gemalten Szenen an seinen Wänden«, deren Motive für die »iranische und mesopotamische Kunst jener Zeit typisch waren« (Hoffman ›Egypt before the Pharaos‹ 1980, S. 133). Es gibt wichtige Anhaltspunkte, die darauf hinweisen, dass die Eroberer Ägyptens mit jenen Mesopotamiens, den Sumerern, verwandt oder identisch waren. Dies war dem Orientalisten Stephen Langdon schon 1921 aufgefallen: »Falls die Grabmalerei das Erscheinen der ersten Bewohner des Niltals genau wiedergibt, kann es keinen Zweifel ihrer rassischen Verbindung mit den Sumerern und den prähistorischen Elamiern geben. Die vogelartigen Köpfe der menschlichen Figuren im Grab von Hierakonpolis sind praktisch identisch mit Darstellungen von Köpfen von Sumerern auf Siegelzylindern und Reliefs der ersten Periode« (Langdon ›The early Chronology of Sumer and Eypt and the similarities in their culture‹ JEA 1921, S. 147). Ein ausgezeichnetes Beispiel dafür sind auch die Figuren auf der sogenannten ›Standarte von Ur‹. (s. ›Das matriarchale Königinnentum Mesopotamiens‹)
Das ›Grab‹ – falls es sich wirklich um eines handelte – ist unterdessen nicht mehr auffindbar, und vom Original des Bildes ist lediglich ein kleiner, stark beschädigter Teil im Museum von Kairo erhalten. Glücklicherweise fertigte der Entdecker, F. W. Green, ein aus vielen Papierteilen zusammengeklebtes Aquarell im Originalformat von 5,85 x 2,85 Metern an. Das kostbare Dokument verstaubt – wahrscheinlich seit seiner ›wissenschaftlichen‹ Beschreibung 1968 – im Griffith-Institut in Oxford. Die Direktorin sah es 1990 nach ihrer 12-jährigen Dienstzeit zum ersten Mal. Sie hatte keine Ahnung, dass dieses unschätzbare Dokument zu ihrem Bestand gehörte. Im danebenliegenden Ashmolean-Museum ist lediglich ein stark verkleinerter Druck des Greenschen Aquarells ausgestellt.
Das irritierende Wandbild von Hierakonpolis:
Es beweist die gewaltsame Eroberung
Das Bild wurde selten gezeigt, und seine Beschreibungen fielen so dürftig aus, dass es schon deshalb Aufmerksamkeit wecken muss. Wenn es in den Abertausend Büchern und Abhandlungen dennoch Erwähnung findet, wird es meistens als harmlose Ansammlung von zusammenhang- und belanglosen Alltagsszenen interpretiert.
Einer der Ausgräber des Bildes, J. E. Quibell, sah in den Szenen vor allem Jagd-Darstellungen (Quibell J.E. / Green F.W. ›Hierakonpolis‹ (ERA) 1902, II, S. 21). Diese Sicht wurde unbesehen übernommen: ›Die ägyptische Welt der Jäger, der Viehzüchter und der Schiffer; Bilder von Tänzerinnen und Idolen‹. ›Große Schiffsbilder, Jagd- und Kampfszenen‹, ›Darstellungen von Booten, Tieren und Menschen‹. ›Alles in allem in den Augen des Jägers das Ideal eines glücklichen Daseins, eines Paradieses ohnegleichen‹. Ein ›beziehungslos durcheinanderwogendes Weltgeschehen‹ usw.
Karlheinz Schüssler zeigt einen kleinen Ausschnitt des Bildes und kommentiert es etwas ausführlicher. »Wir sehen den Menschen bei der Jagd, als Fallensteller und Jagdgehilfen.« Doch dann beschreibt er Szenen, die wirklich nicht so recht zum Jagen passen wollen.
Auf diesem Bild sehen wir zum ersten Mal die Szene vom ›Niederschlagen der Feinde‹. Erstaunlicherweise will niemand bemerkt haben, dass die wahren Feinde die Eroberer und nicht die Einheimischen sind.
»In der linken unteren Ecke der Malerei erkennen wir einen großen Krieger, der mit einer birnenförmigen Keule auf drei mit einem Strick zusammengebundene Feinde einschlägt. Den ihm am nächsten hockenden Feind packt er an den Haaren. Beachtung verdient auch jene kleine Gruppe ein wenig rechts dieser Niederschlagungsszene:
Da kämpft ein Krieger gleichzeitig mit zwei Löwen [eher massigen, sogenannten Molossehunden, Bullmastiffs, die damals aus Persien und Mesopotamien bekannt waren, DW], die ihn zu beiden Seiten anspringen. Diese Art der Darstellung scheint ihren Ursprung im babylonischen Raum zu haben; auch die vielrudrigen Schiffe auf der Wandmalerei von Nekhen erinnern stark an mesopotamischen Einfluss.« (Schüssler ›Kleine Geschichte der ägyptischen Kunst‹ 1988, S. 20 f.) Warum Schüssler den unbewaffneten Schwarzen einen ›Krieger‹ nennt ist rätselhaft. Trotz der Brutalität von einzelnen Szenen schließt Schüssler lediglich auf »kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen zu jenem Gebiet«.
Der französische Archäologe Jacques Vandier war, wie später Michael A. Hoffman, der Ansicht, das Bild könnte ein wertvoller Beitrag zur Klärung des Beginns der ägyptischen Geschichte sein. Und der Nautikspezialist Charles Boreux wies bereits 1924/25 darauf hin, dass es sich bei den frühesten abgebildeten Schiffen um solche der Nachfolger der horitischen Könige handle, die Ägypten zu Beginn der historischen Zeit mit Schiffen erobert hätten (Vandier 1952, S. 839). Nach Boreux muss die Freske eine der ältesten Episoden des Kampfes darstellen, den die horitischen Eroberer gegen die Bevölkerung von Ägypten geführt haben (Vandier ›Manuel d’Archéologie Egyptienne, 1 les èpoques de formation *la préhistoire‹ Paris 1952, S. 605 ff.). Erstaunlicherweise haben diese Aussagen in der späteren Ägyptologie keinen Widerhall mehr gefunden. Die Tatsache der Eroberung wurde unter den Tisch gewischt.
Wenn man das Bild als verdichtete Darstellung eines einzigen Ereignisses betrachtet, stellt man fest, hier werden schreckliche Szenen eines feindlichen Überfalles dokumentiert. Vieles weist darauf hin, dass es sich bei den weißen Figuren um indo-europäische Eroberer handelt.
Im linken oberen Bildteil fallen Räder mit den damals üblichen 4 Speichen und Fragmente eines Wagens auf. Es sind Erfindungen der Arier, die wir später als ›Maryannu‹, Streitwagenlenker, kennen lernen. Wagen wurden von den Indo-Europäern schon im 4. Jahrtausend in der Region des Transkaukasus benutzt. Der britische Archäologe Stuart Piggott kam aufgrund seiner Recherchen zum Schluß, dass die ersten Landfahrzeuge in der Nähe des Kaukasus gefertigt worden seien (›Scientific American‹).
Im rechten oberen Bildteil sehen wir nochmals Erstaunliches: Typische Wildpferde aus Zentralasien, wie sie einst die gesamte eurasische Steppe besiedelten (Inge und Jan Bouman ›The History of Przewalski’s Horse‹ 1994). »Noch um das Jahr 1980 glaubte man, dass die Indoeuropäer oder ›Kurgan-Leute‹ in Südrussland erst frühestens um das Jahr 3000 den Gebrauch der Pferde zum Reiten gekannt haben können. Doch erbrachten neuere Grabungen des amerikanischen Archäo-Zoologen David Anthony und seines ukrainischen Kollegen Dimitri Telegin in einer Siedlung der sogenannten Sredni-Srog-Kultur am Dnjepr, rund 250 Kilometer südlich von Kiew in der Ukraine, ein erstaunliches Ergebnis. Die dort ansässigen Menschen müssen schon um das Jahr 4000, wenn nicht schon viel früher, die Kunst beherrscht haben, Pferde zu zähmen und zu reiten. Die gefundenen Gebisse einiger Hengste zeigten allesamt die typischen Abnutzungsspuren durch eine den Pferden ins Maul geschobene Trense aus Geweihknochen, die man mit Lederriemen als Zügel verbunden hatte. Wild lebende Pferde weisen solche Spuren an ihrem Gebiss nicht auf. Das Alter dieser Pferdezähne konnte mit der Hilfe der C-14-Methode recht genau auf 6000 Jahre vor unserer Zeit bestimmt werden. Die Pferde – und die Menschen, die sie ritten – dürften danach etwa um 4000 gelebt haben.« (Reinhard Schmoeckel ›Die Indoeuropäer‹ 1999, S. 77 f.) „Pferde wurden zuerst in der pontisch-kaspischen Steppe im Nordkaukasus domestiziert, bevor sie innerhalb weniger Jahrhunderte den Rest Eurasiens eroberten. Das sind die Ergebnisse einer Studie unter der Leitung des Paläogenetikers Prof. Ludovic Orlando vom französischen »Centre national de la recherche scientifique« (CNRS) aus Toulouse, die kürzlich im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht wurde.“ (Archäologie Online Oktober 2021)
Pferde sollen aber erst mit den Hyksos, den »Herren der Pferde«, in der 15./16. Dynastie (1640 – 1550) nach Ägypten gekommen sein. Der afrikanische Historiker Joseph Ki-Zerbo schreibt jedoch, das Pferd sei bereits um 3500 nach Afrika gekommen, man lese allzu oft, dass es erst mit den Hyksos in Ägypten erschienen sei (Ki-Zerbo 1980,/1984, S. 697). Bereits in der Nagada II-Zeit, etwa ab 3500, waren Fremde, wahrscheinlich Angehörige des indoeuropäischen Stammes der Hurriter, indoeuropäischen Rinder- und Pferdezüchter, aus den eurasischen Steppen, als Händler in Ägypten unterwegs. Auf dem Bild von Hierakonpolis sind Pferde zu erkennen, welche von den Invasoren mitgebracht wurden.
Gerda Weiler beobachtete, dass der Häuptling auf der Narmer-Palette und dem Keulenkopf des Skorpion nicht einen der später üblichen Stierschwänze, sondern einen buschigen Pferdeschwanz am Gürtel befestigt hatte, was die Ägyptologen jedoch nicht erkennen. (Weiler ›Der enteignete Mythos‹ 1991, Abb.3, S. 59)
Der Pferdeschwanz bestätigt, dass es sich beim obigen Bild effektiv um Pferde handelt. Das ist insofern von Bedeutung, weil in der Religion der Indo-Europäer das Pferd als göttliches Tier galt. Marija Gimbutas schreibt, dass der Pferdekult mit dem aufkommen prominenter Kriegerbestattungen erstmals im östlichen Mitteleuropa, in Moldavien, Rumänien und Ostungarn, nach der ersten kriegerischen Kurganwelle, die Osteuropa um etwa 4400-4300 überflutete, festgestellt wurde. Das Stammesoberhaupt wurde üblicherweise mit einem geschnitzten Pferdekopfzepter begraben; Symbole der Macht, »die eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit den in der Wolgaregion, in der nördlichen Kaukasussteppe und im nordöstlichen Dagestan gefundenen Zeptern aufweisen.« Gimbutas weist auch darauf hin, dass »ein zentraler Aspekt des religiösen Brauchtums der Indogermanen, das Pferdeopfer, vor allem in der indischen (aśvamedha), römischen (Equus October) und keltischen Traditionen war.« (Gimbutas ›Das Ende Alteuropas – Der Einfall von Steppennomaden aus Südrussland und die Indogermanisierung Mitteleuropas‹, 2000, S. 37)
Die Geißel (Peitsche, Wedel oder Flagellum) kommt mit Osiris, dem arischen Gott As-ari, im Alten Reich nach Ägypten. As-ari/Osiris galt in den Pyramidentexten als ›Gott des Nordens‹. Die Peitsche, die von den Pharaonen als Zeichen ihrer Macht getragen wurde, ist laut Gimbutas bei Reitervölkern im Osten noch immer ein Symbol der Pferdehirten. »In der Ägyptologie werden über die genaue Herkunft und Bedeutung des Flagellums seit längerer Zeit kontroverse Diskussionen geführt, ohne dass es bislang gelungen ist, eine einheitliche Definition herbeizuführen.« (Wikipedia) Bei Marija Gimbutas ist sie zu finden!
»Im Zuge der Verbreitung der Arier, insbesondere der Amu, dürfte das Pferd in den Nahen Osten eingeführt worden sein; dies geht aus der arischen Wurzel der nahöstlichen Bezeichnung für das Pferd hervor… ägyptisch ssm-t, akkadisch sisu.« (Jahanshah Derakhshani ›Die Arier in den nahöstlichen Quellen des 3. Und 2. Jahrtausends v.Chr.‹ 1999, S. 79) Dies hange wohl auch mit dem hebräischen sus (pl. susim) zusammen, vermutet der Sprach- und Arierforscher Derakhshani. Es sei mit großer Wahrscheinlichkeit von einem der aus dem persischen Hochland nach Syrien eingewanderten Stämme mitgebracht worden, denn es ist den Sumerern als anšu-kur-ra (Bergesel) bereits früh bekannt gewesen. Andererseits zeigen Texte aus Boghazköy, die sich im hethitischen Staatsarchiv fanden, dass sie die Pferdezucht von den Hurritern gelernt haben. Sowohl das Pferd wie der Streitwagen wurden durch die Arier in den Nahen Osten gebracht. (ibd. S. 121)
Neben der Peitsche gehörte der Krummstab, das Symbol der Schafhirten, zu den königlichen Insignien der Macht der eingewanderten hurritischen Herrscher. Der Krummstab (altägyptisch heqa, auet) ist seit dem Alten Reich (2707–2216 v. Chr.) belegt und wurde als religiöses Herrschaftssymbol, z.B. als Bischofsstab, übernommen. Das Pferd, das von den Indo-Europäern vergöttlicht wurde, wurde im Christentum als ›unrein‹ geächtet. Im Jahre 732 erließ Papst Gregor III. ein Verbot Pferdefleisch zu essen. Ein gleiches Schicksal ereilte die in Ägypten als heiliges Tier der Göttin verehrte Muttersau bei den Juden und Muslimen. Sie wurde ebenfalls als ›unrein‹ geächtet und zum Verzehr verboten.
Wie die Wissenschaft das Bild von Hierakonpolis interpretiert
Humphrey Case und Joan Crowfoot Payne, damals Leiter und Leiterin des Griffith Instituts in Oxford, veröffentlichten 1962 eine ausführliche Studie des Bildes (›Tomb 100: The decorated tomb at Hierakonpolis‹, JEA 1962, S. 5–18). Sie bedauern, dass die meisten Wissenschaftler einen Erzählanteil in den Malereien sähen und dass einige die Rolle kriegerischer Aktivitäten übertrieben hätten, so zum Beispiel Flinders Petrie in seinem Werk ›The making of Egypt‹ (1939). Doch dann erzählen die Wissenschaftlerin Joan Crowfoot Payne und der Wissenschaftler Humphrey Case ihre eigene Version der Geschichte: Sie beurteilen das Bild als eine erläuternde Abhandlung, die dokumentiere, wie das Häuptlingstum in raschen Schritten von unzivilisierten Stämmen in das Königtum eines zivilisierten Staates hineinwachse. Die beiden Autoren sehen einige Darstellungen als ›Konfliktszenen‹. Der Held, der den Löwen trotze, könne glaubwürdig als symbolische Autoritätsfigur betrachtet werden.
Die Autoren unterscheiden zwischen Menschen verschiedener Hautfarbe: roten und schwarzen. In den Roten erkennen sie die »Aggressoren asiatischer Herkunft«, machen sie aber zu »Helden mit heroischem Gehabe«. Den Häuptling bezeichnen sie mit Recht als »Eroberer«, den sie aber auch gleich zum »König« krönen. Die gefesselten Einheimischen sind für sie »kniende Untergebene in unterwürfiger Haltung«. Die kniende Figur vor dem mit einem Leopardenfell bekleideten ›Priester‹ biete diesem sicher eher ein Fell an, als dass er sich mit einem Schild verteidige. Sein Stürzen interpretieren sie als eine »amüsante Art von Magie«.
Immerhin stellen sie fest, dass die gefährlich aussehenden Aggressoren den Stempel fremden Einflusses tragen und sich in ihrer physischen Erscheinung von den dunklen Einheimischen unterscheiden; das Bild zeige ähnliche Aggressoren vorderasiatischen Ursprungs, wie jene, die tief in den Süden von Oberägypten eingedrungen seien. Aber was bewog sie dazu?, fragen sie und können sich vorstellen, dass eine Mischung von Handel und Räuberei eine vernünftige Erklärung dafür sein dürfte: Elfenbein, Felle, Holz und möglicherweise Gewürze nubischer Herkunft wurden gesucht, gegen »angebotene technische und ideologische Neuheiten«. (Dazu muss man sagen, dass das ›Angebot‹ auf recht unfreundliche Art geschah.)
Auf diese groteske Bildbeschreibung folgt eine noch bemerkenswertere Interpretation des Szenarios. Die Autoren glauben, Invasoren hätten die Grenze von Oberägypten überschritten und der »energische Chef« habe vorteilhafte Abmachungen mit ihnen treffen können. Das Bild könne teilweise als Erzählung einer solchen Begebenheit interpretiert werden, und zwar erstens als Widerstand gegen Aggression, dargestellt in den Figuren, die den Eroberer konfrontieren. Zweitens als Assimilation der fremden Ideologie, dargestellt in der heroischen Haltung. Drittens als Herrschaft von Fremden über Eingeborene, dargestellt durch den Helden, der den Löwen trotze. Viertens als harmonische Koexistenz, dargestellt in den paarweisen Antilopen und in der friedlichen Vorbeifahrt von Schiffen, die aber nirgends zu sehen sind; alle Schiffe stehen im Sand.
Diese von den Autoren erfundene Geschichte wird in der Folge zur Tatsache gemacht: Der »Herrscher«, der zugänglich sei für solche Konzepte wie dem des »göttlichen Königtums«, besäße das Potenzial der Könige der 1. Dynastie. (Wenn man darunter das Gewaltpotenzial des ›göttlichen Königtums‹ versteht, ist diese Aussage leider zutreffend.) Man könne daraus schließen, dass die Person, die einst in diesem dekorierten Grab begraben worden sei, es verdiene, als einer der legendären Könige von Oberägypten in Betracht gezogen zu werden.
Noch etwas fällt bei Case und Payne auf: Während das Massaker der weißen Männer verharmlost und die Mörder zu Heroen hochstilisiert werden, tadelt man die Frauen. Ihnen, die sich verzweifelt gegen das Morden wehren, wird vorgeworfen, dass sie die »graziösen Gebärden« und »bestimmte weibliche Konturen, wie man sie auf ähnlichen Darstellungen der vordynastischen Vasen« finde, vermissen lassen. Geschichtsschreibung maßregelt nur zu gerne weibliches Verhalten, heroisiert dagegen männliche Brutalität und Verbrechen. Die Arbeit von Case und Payne gilt noch heute als die wissenschaftlich kompetente Bildinterpretation! Die absurde Auslegung des Bildinhalts blieb meines Wissens bis heute unwidersprochen. Hat die Beschönigung des Bildes den Blick der WissenschaftlerInnen auf das Offensichtliche verstellt, blind gemacht für die Gräuel, die es dokumentiert? Gibt es eine stille Übereinkunft, den Halbgöttern der Ägyptologie nicht zu widersprechen, ist es einfach Feigheit, eine eigene Meinung zu äußern?
Toby A. H. Wilkinson bezieht sich auf diese Arbeit (1999, S. 32 f.). Seine Beschreibung enthält so hehre Werte wie: ›Elite-Grab‹, ›hoher Rang‹, ›königliche Ikonografie‹, ›prädynastische Herrscher‹, ›Boots-Prozession‹, ›Helden-Figur‹, ›königliche Artefakte‹, ›königliches Motiv‹, ›Königtum par excellence‹, ›sozio-politische Entwicklung‹, ›Ritual‹, ›artistische Motive‹, ›königliches Festival‹, ›überirdische Sphäre‹, ›Charakteristiken klassischer ägyptischer Kunst‹.Was Wilkinson in seinem Überschwang übersieht: Hier bringen weiße Männer schwarze Menschen um.
Es gibt Hinweise auf eine gut entwickelte Schifffahrt vor allem in Mesopotamien vom vierten zum dritten Jahrtausend. (Gamkrelidze/Ivanov)
Mit Schiffen durch die ägyptische Wüste: Vom Roten Meer ins Niltal
Bereits 1922 postulierte H. R. Hall, es könne weder als unmöglich noch als unwahrscheinlich angesehen werden, dass Schiffe in einer sehr frühen Zeit vom Persischen Golf, der Küste von Hadramaut entlang und durch die Meerenge von Bab el-Mandeb zu den ägyptischen Küsten des Roten Meeres gesegelt seien (Hall 1922, S. 252). Auch der Nautikspezialist Joseph Majer schreibt, dass damals bereits eine Hochseeschifffahrt existiert habe und die gewaltsamen Änderungen in Ägypten auf eine Invasion über das Meer zurückzuführen seien (›The Eastern Desert and Egyptian Prehistory‹ 1992, S. 227 f., siehe auch Samuel Mark ›From Egypt to Mesopotamia‹ 1998).
Der Durchgang vom Roten Meer durch das Wadi Hammamat an den Nil war in fünf Tagesreisen möglich. Insbesondere weil »das Gebiet der Wüste in der älteren Zeit der ägyptischen Kultur noch weniger trocken und trostlos war als heute. Es verfügte über großen Wildreichtum, und es war auch noch mehr bewachsen. Es gab dort noch zahlreiche Wasserstellen« (Jean Yoyotte ›Lexikon der ägyptischen Kultur‹ 1960, S. 305). Auf den Felsbildern aus dieser Zeit begegnen uns Elefanten, Giraffen, Gazellen und Antilopen.
Neben diesem Weg gab es noch andere bekannte Pisten, z. B. die durchs Wadi Barramija, das Goldminengebiet zwischen Edfu und Marsa Alam, das schon in der 1. Dynastie bekannt war, und eine weitere Route, die vom Roten Meer durch das Wadi Hellal oder das Wadi Abbad nach Elkab führte. Auf der anderen Seite des Nils befindet sich Hierakonpolis, die erste Residenz der Eroberer. Sicher waren die verschiedenen Wüstenwege von den Handelsleuten aus Mesopotamien längst benutzte Reisewege, sodass die genaue Kenntnis der Gegebenheiten des Landes und seines Reichtums auch ein strategisches Planen der Invasion erlaubte. Von ersten ägyptischen Häuptlingen hat man Spuren ihres Durchzugs durch die Arabische Wüste auf der Straße zum Roten Meer gefunden (Jean Vercoutter ›Die altorientalischen Reiche vom Paläolithikum bis zur Mitte des 2. Jahrtausend‹ Fischer Weltgeschichte Bd. 1, 1965, S. 238).
Es gibt keinen Grund auszuschließen, dass die kriegerisch-expansionistischen Indo-Europäer, die ganz Vorderasien unter ihre Gewalt gebracht hatten, ihr Auge nicht auch auf das reiche Niltal warfen; ja es wäre geradezu erstaunlich, wenn sie ausgerechnet vor den Grenzen Ägyptens Halt gemacht hätten. Die reichen Güter aus Afrika boten dafür genügend Anreiz. Die prosperierenden Städte lagen an den Handelsrouten; auch in Mesopotamien: »Von früh an war es das Bestreben mächtiger Gruppen, entscheidende Handelsorte in ihre Hand zu bekommen. Das beginnt mit der Besetzung der Orte an der Euphrat-Tigris-Mündung durch die Sumerer, woher sie auch immer gekommen sein mögen« (Wolfgang Helck ›Die Beziehungen Ägyptens und Vorderasiens zur Ägäis bis ins 7. Jahrhundert v.Chr.‹, 1979, S. 4).
Sie kamen mit einer ganzen Armada
Dank einer beispielhaft sorgfältigen Grabung bis in die tiefsten Schichten von Eridu, der südlichsten Ruinenstätte Mesopotamiens, der Stadt, die damals unmittelbar an der Küste des Persischen Golfes lag, wurde in einem Grab der ausgehenden Obed-Zeit ein tönernes Segelboot gefunden. »Dieser Fund ist für uns das älteste Zeugnis für die Schifffahrt – ob nun auf dem Fluss, in der Schilflagune, in Küstennähe oder womöglich schon über See, bleibe dahingestellt.« (D.O. Edzard ›Geschichte Mesopotamiens‹ 2004, S. 19) Die Seefahrt am Ende des 4. Jahrtausends wurde für Ägypten schicksalhaft, die bestehende Schiffahrt zeigt die Möglichkeit der Eroberung Ägyptens auf dem Seeweg – Ägypten wurde mit einer ganzen Armada erobert.
Auch an verschiedenen Orten Oberägyptens wurden Boote gefunden, jedoch waren sie echt. David O’Connor (Institute of Fine Arts, New York University) und sein Team legten im Jahre 2000 in Abydos Schiffe frei, die mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Zeit von Hor-Aha (dem indoeuropäischen Horiter/Churriter) und 1. König der 1. Dynastie, um 3050 stammen:
Eine Flotte von vierzehn zwischen 18 und 24 Meter langen Schiffsrümpfen aus Holz war im Sand vergraben.
Aus der 4. Dynastie stammt etwa 300 Jahre später das berühmte Boot von Cheops in Gizeh, das die ansehnlichen Maße von 42,3 Metern Länge und 5,6 Metern Breite, eine Kabine von 9 Metern Länge und 2,5 Metern Höhe aufweist. Es ist von der gleichen Bauart wie die Holzboote auf der Wandmalerei von Hierakonpolis.
Thor Heyerdahl, der mit elf Ehrendoktortiteln ausgezeichnete Universalgelehrte, stellte fest: »Dass die entwickelten Gesellschaften des Nahen Ostens vor 5000 Jahren mit einer außergewöhnlich fortgeschrittenen Schiffbautechnik vertraut waren, dürfte uns nach der Entdeckung des wirklich verblüffenden Schiffes des Pharaos Cheops nicht mehr verwundern.« (Heyerdahl ›Tigris – auf der Suche nach unserem Ursprung‹ 1979, S. 31)
Die Holzboote konnten zerlegt und von der Küste des Roten Meeres ins Niltal getragen werden. »Die Merkzeichen auf den einzelnen Teilen des Schiffes von Cheops in Giza zeigen, dass man die Voraussetzungen für ein solches Auseinandernehmen und Zusammensetzen von Schiffen kannte.« (Helck ›Die Beziehungen Ägyptens zu Vorderasien im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr.‹ 1971, S. 21)
»Bereits im Alten Reich hören wir von einem stattlichen Lastschiff, das in nur 17 Tagen zusammengefügt worden war.« (Adolf Erman ›Ägypten und ägyptisches Leben im Altertum‹ 1984, S. 573)
Boote gehören neben der Abbildung von Tieren zu den häufigsten Motiven an den Felswänden der Wadis, die vom Roten Meer ins Niltal führen. »Jede Einzelheit dieser sichelförmigen Boote, der ältesten Kunstwerke Ägyptens, Mesopotamiens und des Industales, war ausgerichtet auf das Segeln auf dem Ozean und durch die Küstenbrandung hindurch, nicht auf die Flussschifffahrt, für die jedes flache Floß oder starre Boot genügte.« (Heyerdahl ibd. 1979, S. 280)
Die Schiffe hatten eine beachtliche Größe, »denn 20 bis 40 Ruderer waren das übliche und bei einigen sieht man 50 und mehr Mann Besatzung an Deck. Viele hatten zwei Kabinen, eine auf jeder Seite des Mastes. Einige transportierten Hornvieh und andere große Tiere, [möglicherweise Pferde, die auf dem Wandbild von Hierakonpolis zu sehen sind] die sich winzig im Verhältnis zu den großen Schiffen ausnahmen, auf denen sie befördert wurden… Die Seetüchtigkeit dieser vordynastischen Boote ist unbestritten« (Heyerdahl ibd. 1979, S. 103 f.).
Heyerdahl bewies, dass die Seefahrt von Mesopotamien ins Rote Meer mit den ältesten bekannten Segelbooten nicht nur möglich, sondern eine Gewissheit ist. 1977 ließ er im Irak die Nachbildung eines Wasserfahrzeuges aus Schilfbündeln bauen, wie sie auf dem Indus, dem Tigris und dem Nil üblich waren. Er schiffte damit aus der Tigrismündung durch den Persischen Golf erst an die Mündung des Indus in Pakistan und überquerte dann mit seiner Mannschaft den Indischen Ozean bis zum afrikanischen Djibouti. An der Mündung des Roten Meeres nahm die Expedition ein unfreiwilliges Ende. Zwischen Äthiopien, Somalia und Eritrea war ein Krieg ausgebrochen, was den Eingang zum Roten Meer versperrte. Trotzdem wurde mit dieser Expedition bewiesen, dass es möglich war, in prähistorischer Zeit über das Meer von Mesopotamien nach Ägypten zu gelangen.
Man nimmt an, dass die Sumerer in den Wintermonaten von ihren Küsten fortsegelten und mit ihrer Ladung zurückkamen, wenn sich der Wind im Sommer drehte (Heyerdahl 1979, S. 92). Noch heute werden die Monsunwinde genutzt. Der Kaskasi bringt Menschen und Waren auf hölzernen Seglern, den Daus (Dhows), von November bis Mai vom persischen Golf an die Küsten Indiens, dann jenen Arabiens, an die Ostküste Afrikas, nach Somalia, Mombasa, Sansibar bis nach Mosambik. Von März bis November stürmt der Kusi dann in die Gegenrichtung und bringt Menschen und Waren zurück zum asiatischen Festland. (s. im Buch 2009, S. 119 – 130)