Der Umsturz vom Matriarchat ins Patriarchat: Das brutale Abschlachten von Mensch und Tier
Aus dem Inhalt:
- Die Jagd war kein steinzeitlicher Volksbrauch
- Mit den (Jagd-)Waffen hielt das Patriarchat das Volk unter Kontrolle
- Die Mär von der Jagd zur Ernährung des Volkes
- Die exzessive Jagd im Patriarchat führte zum ›Over-kill‹ der Herdentiere
- In der Bibel hört man das Echo. Noahs Sohn Kusch erzeugte Nimrod;
›er war der erste Gewaltherrscher auf Erden. Er war ein gewaltiger Jäger vor Jahwe‹
Die Jagd war kein steinzeitlicher Volksbrauch
Die Elite-Jagd befriedigt offenbar das Bedürfnis nach Macht und Herrschaft und außerdem einen gewissen Sadismus, der für Machteliten kennzeichnend ist. (Erich Fromm)
Lewis Mumford hält in seiner Kultur- und Zivilisationsgeschichte fest, dass kein Zweifel über den Ursprung der bedingungslosen Herrschaft und der spezifischen Charakteristiken der Könige bestehe: »Es war die Jagd, die die Initiative, das Selbstvertrauen, die Unbarmherzigkeit entwickelte, welche Könige üben müssen, um die Herrschaft zu erlangen und zu behalten; und es waren die Waffen des Jägers, die seinen Befehlen, ob sie nun rational oder irrational waren, den Rückhalt der Gewalt verliehen – vor allem die Bereitschaft, zu töten.« (Mumford ›Mythos der Maschine – Kultur, Technik und Macht‹ 1974, S. 199 f.)
Die Jagd auf Wildtiere geht auf die indoeuropäischen Rinderzüchter zurüc
Im Alten Reich Ägyptens war nur der indoeuropäische Eroberer-König mit der neuen Waffe – mit Pfeil und Bogen – ausgestattet. Er hatte ein »Reservatrecht auf bestimmte Tierarten, wie den Wildstier oder den Löwen.« (Altenmüller LÄ, III, S. 222) Die Jagd auf die Tiere der Wüste war dem König der Eroberer und seinen Eliten sowohl in Ägypten als auch in Mesopotamien vorbehalten und ist charakteristisch für die von den Indo-Europäern und Ariern neu geschaffenen königlichen Dynastien der eroberten Länder.
»Die königliche Lust am häufig maßlosen Töten wilder Tiere spiegelt sich auch in den Texten wider; so behauptete der mittelassyrische König Tiglatpileser I., bei einer einzigen Jagd vier wilde Stiere, zehn Elefanten und 920 Löwen getötet zu haben, 800 von seinem Wagen aus und 120 zu Fuß. Diese Jagden wurden sorgfältig vorbereitet. Die Mari-Briefe (ca. 1800 v.u.Zt.) berichten über das Einfangen wilder Löwen, die später als Zielscheiben des Königs freigelassen wurden, ähnliche Szenen überliefern die assyrischen Reliefs. Diese Tradition setzten die Perser fort; das Wort ›Paradies‹ stammt aus dem Persischen, wo es die Bedeutung eines Wildparks hat, in dem die Könige jagten.« (Michael Roaf ›Weltatlas der Alten Kulturen MESOPOTAMIEN‹ 1991, S. 154) Das Jagen ist und bleibt über lange Zeit ein exklusiver Sport der Könige und wird erst spät zum ›Volkssport‹ der privilegierten Klasse.
Mit (Jagd-) Waffen hielt man das Volk unter Kontrolle
»Die ursprüngliche Verbindung zwischen Königtum und Jagd ist in der gesamten geschriebenen Geschichte sichtbar geblieben… Der skrupellose Gebrauch der Jagdwaffen, um die politischen und ökonomischen Aktivitäten ganzer Gemeinschaften unter Kontrolle zu halten, war eine der wirksamsten Erfindungen des Königtums.« (Mumford 1974, S. 199 f.)
Von der brutalen Jägerei wurde schon damals und bis in die Gegenwart mit Stolz berichtet. Meistens handelt es sich dabei um Jägerlatein oder beschönigende Rechtfertigungen, die von ›Heldentaten‹ bis zur ›religiösen Pflicht‹ und ›Tierliebe‹ reichen. Da wird etwa ein Zusammenhang hergestellt zwischen dem Töten von Tieren und dem König, »dem als Garant der Weltordnung die Rolle eines Vorkämpfers gegen menschliche und tierische Feinde zukam« (Störk LÄ, IV, S. 502). Er soll durch den Sieg über die Tiere symbolisch das Land von Feinden befreien. »Die Jagd unterstreicht die physische Überlegenheit des Jagdherrn über die numinosen Mächte der Tierwelt, etwa in Parallele zum rituellen Niederschlagen der Feinde.« (Altenmüller LÄ, III, S. 232)
Die Mär von der Jagd zur Ernährung des Volkes
Der Ägyptologe Hartwig Altenmüller behauptet, dass die Jagd zu den ältesten Formen der Nahrungsgewinnung gehörte. (LÄ, III, S. 221) Auch glaubt er, sie sei »schon in der Vorgeschichte entwickelt worden, als die Jagd noch ein wichtiger Faktor der Nahrungswirtschaft war.« (ibd., S. 230) Sie habe aber in der historischen Zeit nicht mehr die überragende Rolle gespielt, die ihr einst in der Vorgeschichte zukam, obwohl Jagdbilder in den Kultanlagen der Königs- und Privatgräber einen breiten Raum einnahmen. (LÄ, III, S. 224)
Doch war die Jagd in Ägypten zu keiner Zeit ein wesentlicher Faktor bei der Ernährung des Volkes. Zum einen ernährten sich die neolithischen ÄgypterInnen vegetarisch und mit Fisch, zum anderen jagten die Könige ohnehin nie, um die Menschen zu ernähren. Es gab keine Rücksicht, weder auf hungernde Menschen noch auf Tiere: »Jagdzeiten und Schonfristen waren den Ägyptern unbekannt. Auf Darstellungen des Alten und Mittleren Reiches ist zu erkennen, dass die Jagd vor allem im Frühjahr stattfand, zu einer Zeit, als das Wild sich paarte oder die Jungtiere zur Welt gebracht wurden.« (Altenmüller LÄ, III, S. 222) (s. ›Die Großen Jäger – Die Mär von den Helden der Urzeit‹)
Die exzessive Jagd im Patriarchat führte zum ›Over-kill‹ der Herdentiere
Mit der exzessiven Jägerei ging der Wildbestand drastisch zurück und die Könige mussten das Jagen zunehmend ins Ausland verlagern. In der dynastischen Zeit Mesopotamiens wurden einige Herdentier-Arten durch das maßlose Jagen vollständig ausgerottet; man spricht von einem ›Over-kill‹.
Man könne nicht von Jägerlatein sprechen, glaubt Emma Brunner-Traut, wenn Thutmosis III. damit prahlte, schon vor dem Frühstück 12 Wildstiere erlegt zu haben; »und er hängte sich ihre Schwänze hinten an seinen Schurz. Auf dem Feldzug gegen die Mitanni im Sumpfland von Nii am Orontes hatte er 7 Löwen und 120 Elefanten erlegt« (Brunner-Traut ›Die Alten Ägypter – Verborgenes Leben unter den Pharaonen‹ 1987, S. 41). Amenophis III. steht ihm an Blutdurst und Angeberei in nichts nach. Aus einer Herde von 176 Stieren im Delta will er deren 96 erlegt haben. Auch brüstet er sich auf einem Gedenkskarabäus damit, »im ersten Jahrzehnt seiner Regierung 102 Löwen erbeutet zu haben.« (Brunner-Traut ibd.)
Brutale Menschen-Jagd und religiöse Verbrämung
Amenophis III, Vater des Echnaton, der heldenhafte Jäger wurde nicht nur für seine sadistische Schlächterei der Tiere bekannt. Im fünften Jahr seiner Regierung bestrafte er einige »hochmütige Neger-Stämme im Sudan, die sich empört hatten und große Dinge planten«, und er erzählt triumphierend von dem Gemetzel, das er dort angerichtet hatte: »Der wild blickende Löwe, dieser Fürst, schlug sie auf Befehl des [Gottes] Amon-Atum.« (Arthur Weigall ›Echnaton König von Ägypten und seine Zeit‹ 1923, S. 21)
Wie üblich werden Sadismus und Brutalität pseudoreligiös verklärt und dadurch als ethisch akzeptabel und notwendig dargestellt. Wenig Trost findet man auch in der Beteuerung, über jedes ägyptische Tierbild breite sich »das verborgene Wissen um die Wesensverwandtschaft von Mensch und Tier wie geheimes Leuchten aus«, während in den assyrischen Wiedergaben spürbar werde, wie der Mensch die Kreatur vergewaltigte.(Brunner-Traut) Zum Beispiel auf dem Bild der sterbenden Löwin, die bemerkenswerterweise »motivisch ihr Vorbild auf der Schatztruhe Tutanchamuns hat. Brüllend vor Schmerz schleppt sich das todwunde Tier auf den Vorderbeinen weiter, nachdem zwei Jagdpfeile Assurbanipals ihr Rückgrat getroffen haben, sodass sie die gelähmten Hinterbeine langsam nur noch nachschleifen kann.« (Brunner-Traut ›Die Alten Ägypter – Verborgenes Leben unter den Pharaonen‹ 1987, S. 46)
Löwenjagd auf der Jagdtruhe Tutanchamuns (Museum Kairo)
Der Autorin geht das gleiche Mitgefühl für die Menschen und Tiere Ägyptens ab, denn sie hat ja nicht übersehen, dass auf der Jagd- oder Schatztruhe des Tutanchamun das Bild einer ebenso mörderischen Löwenjagd mit einem halben Dutzend von Tutanchamuns Pfeilen durchbohrten Löwinnen abgebildet ist. Aber noch schlimmer: Auf der Rückseite ist nochmals eine Jagd abgebildet, nur dass hier die gejagten und mit Pfeilen durchbohrten Wesen nicht Löwinnen, sondern schwarze Menschen sind, die außerdem noch von Hunden gehetzt und angefallen werden.
Menschenjagd auf Tutanchamuns Jagdtruhe (Museum Kairo)
Die Jagd galt vor allem den LöwINNEN, denn sie waren das verhasste Symboltier der Göttin, Ausdruck von Kraft, Mut, Stärke und Mütterlichkeit. Das früheste Denkmal ihrer Verehrung dürfte die Sphinx von Gizeh sein. (s. auch ›Die Patriarchalisierung der SPHINX‹ und Carola Meier-Seethaler ›Von der göttlichen Löwin zum Wahrzeichen männlicher Macht: Ursprung und Wandel großer Symbole‹ 1993)
Wildkatzen, Panther und Löwen, waren heilige Symboltiere der Göttin und des Matriarchats und wurden deshalb mit Vorliebe verfolgt, gejagt und getötet. Insbesondere weibliche Tiere gehörten zu den ›Feinden‹ der indoeuropäischen Herrscher.
Relief einer Löwenjagd vom Palast König Assurbanipals in Ninive. Etwa 650 v.u. Z. (British Buseum, London, nach Leonard Woolley ›Mesopotamien und Vorderasien‹ 1961, S. 182)
»Im Gegensatz zur früheren sumerischen Kunst, die hauptsächlich religionsbedingt war, zeigen die assyrischen Reliefs profanen Charakter. Die assyrische Skulptur war eine reine Hofkunst. Als das Königtum unterging, erlosch auch die Kunst. Die Reliefs sind nicht für die Ausschmückung von Tempeln, sondern von Palästen gedacht, und deshalb behandeln sie die beiden Dinge, die dem Herzen des assyrischen Königs am teuersten waren: den Krieg und die Jagd… Der Hauptanreiz der Jagd lag in ihren Gefahren.« (Leonard Woolley ›Mesopotamien und Vorderasien‹ 1961, S. 178) Man könnte auch davon ausgehen, dass nach zweitausend Jahren religiös geschönter und gerechtfertigter Machtpolitik, die Berufung auf Götter und Religionen in den Hintergrund treten konnte. Sie hatten ihre Schuldigkeit – mindestens vorübergehend – getan; man brauchte sie für den Moment nicht mehr. Doch schon bald kehrte die religiös begründete und legitimierte Machtpolitik patriarchaler Männer im Süden Mesopotamiens zurück und zwar in der babylonischen Gefangenschaft von Angehörigen der Oberschicht Judäas von 597–539 v.u.Z. Im babylonischen Exil entwickelten patriarchale Juden die Vorstellung von einem einzigen universellen Gott die einst schon Echnaton und Moses hatten, weiter.
Aufgrund der Fakten müss(t)en wir zugeben, es gibt keinen monotheistischen Ur-Gott. Er ist eine Erfindung von patriarchalen Männern und eine späte Erscheinung in der Geschichte der Menschheit.
Die auffallende Verwandtschaft der ägyptischen mit den vorderasiatischen Gewaltherrschern ist nicht zu leugnen. Die Lust am Töten und das mörderische Abschlachten der Tiere durch die ›großen Jäger‹ überliefern jedoch nicht nur ägyptische, assyrische und iranische Darstellungen:
In der Bibel hört man das Echo. Noahs Sohn Kusch erzeugte Nimrod;
»er war der erste Gewaltherrscher auf Erden.
Er war ein gewaltiger Jäger vor Jahwe.« (1. Mose 10,8–9)
Die maßlose Jagd auf die Tierwelt war blanker Sadismus und Lust am Töten. Ein Text des Mittleren Reiches beschreibt die Jagd in den reichen ägyptischen Savannen. Jagdtreiber bereiteten sie für den König vor und lockten das Wild an, was den Jägern erlaubte, ins Volle zu schießen. »Wenn gar beim eingelappten Treiben das Wild dicht bei dicht im Gehege zusammen getrieben war, kam die Jagd einem Scheibenschießen gleich.« (Brunner-Traut ibd. 1987, S. 41)
Der Angriff auf die Tiere, die bis zur Ausrottung ausartete, wurde mit der angeblichen Bösartigkeit und Hinterlist der Tiere gerechtfertigt: Krokodile »lauerten feindselig«, oder das böse Prusten der Nilpferde »erschreckte den arglosen Jäger unheilvoll.« (Brunner-Traut ibd.) »Während der Ägypter das Nilpferd durch Harpunieren zu tilgen suchte, wehrte er dem Krokodil allein durch Zauber offensichtlich aber mit Erfolg. Denn beide Tiere, nicht nur das Flusspferd, sind zur Römerzeit in Ägypten ziemlich selten und nur noch auf bestimmte Gebiete beschränkt. Die letzten Artgenossen wurden im Delta 1658, in Oberägypten l850 erlegt.« (Brunner-Traut ibd. 1987, S. 42) Seit dem Mittleren Reich mussten aus dem Sudan und aus Libyen laufend Tiere eingeführt werden, um die ausgerotteten Arten zu ersetzen. In römischer Zeit ging die Barbarei so weit, dass man Tierhetzen veranstaltete, bei denen in einem schauerlichen Schauspiel Nilpferde gegen Krokodile zu kämpfen hatten.
Das Reinwaschen der tötungslustigen Herrenmenschen führt bisweilen zu seltsamen Ungereimtheiten. Brunner-Traut beteuert, dass die Herren, die zum Vergnügen jagten, dies nicht ohne Verantwortungsbewusstsein taten: »Mit der gewissensentlastenden Erklärung des zu jagenden oder zu opfernden Tieres zum Feind kommen die Ägypter der ethischen Forderung Albert Schweitzers entgegen, sich über die, wenn schon nötige, Tötung von Tieren Rechenschaft zu geben. Auch mag es das Schlachten und Jagen erleichtert haben, dass sich die Ägypter der Entzweiung der Natur (Hegel) bewusst waren, d. h., dass sich das Leben nur durch Töten erhält.« (Brunner-Traut LÄ, VI, S. 558 f.)
An Albert Schweitzers Brust braucht man nicht weiter nachzugrübeln über blutrünstige Herrscher und Götter und die Notwendigkeit, Tiere zur Erhaltung des Lebens zu töten. Und damit man sich jetzt nicht unerwünschte Fragen zum Töten als »Garant der Weltordnung« stellt, werden wir belehrt, dass schon Pharao in Bedrängnis geriet zwischen Tierliebe und Tierverehrung und der Notwendigkeit, Tiere zu schlachten, zu jagen und für den Gott zu opfern. Ob man ihm seine ›Bedrängnis‹ abnimmt oder die Beschönigung glaubt, abstoßend ist das Gemetzel auch dann, wenn »Jagd wie Opfer vor einem religiösen Hintergrund spielten, und in den quasi-kultischen Schauspielen die Tiere rituell zu Feinden erklärt wurden.« (Brunner-Traut ibd. 1987, S. 42)
Es handelte sich um die Kulttiere der Göttin, die von den Herrschern und ihrem Gefolge zu ›Feinden‹ erklärt wurden: Nilpferd, Krokodil, das Wild der Wüste, Löwen und Panther, Gazellen und Antilopen wurden gehetzt, gejagt und abgeschlachtet. Sogar harmlose Tiere wie Esel, Schweine, Fische, Vögel und Schildkröten wurden von der Priesterkaste als Feinde der Herrscher deklariert.
Hermann Kees stellte fest: »Bei der Kultpropaganda gegen die Krokodile und Nilpferde, besonders die oberägyptischen, sehen wir die Herkunft des Angriffs deutlich. Sie wird getragen von den Falken-Kultorten; in den uns erhaltenen Quellen steht Edfu voran, aber die gleichen Begründungen haben sicherlich auch Kus im Gau von Koptos und andere Orte benutzt.« (›Der Götterglaube im Alten Ägypten‹ 1987, S. 133) Kees weist darauf hin, dass diese Propaganda in Verbindung mit dem Königtum bzw. mit dem ›Gottkönigtum‹ stand und deshalb besonders gefährlich war.
»Heute ist Jagd den meisten ein Spiel, dessen Genuss auf einer im Blute lebenden, mystischen Erinnerung zu beruhen scheint. Einst bedeutete sie für Jäger und Wild einen Kampf auf Leben und Tod. Die Jagd war nicht allein Nahrungssuche, sie war auch ein Krieg um Herrschaft und Sicherheit, ein Krieg, demgegenüber die Kriege der geschriebenen Geschichte ein Kleinigkeit sind« Dies schreibt Will Durant in seiner ›Kulturgeschichte der Menschheit – Der alte Orient und Indien‹ 1935, S. 24. Doch zu dieser Zeit war das schlimmste Kapitel aller bisherigen Epochen der Menschheit, das blutige 20. Jahrhundert noch nicht zu Ende geschrieben.