Wer waren die Sumerer?
Aus dem Inhalt:
- Mesopotamien und der Mittlere Osten
- Wer waren die Sumerer?
- Die Verbündeten: Indo-Europäer und Arier
- Die Eroberer eigneten sich die Kulturleistungen der matriarchalen Zeit an; SIE SCHUFEN NICHTS NEUES!
- Der Sumerologe Samuel N. Kramer spricht eine deutliche Sprache
- Fremde im Land der ›Schwarzköpfigen‹
- Die Eroberer: Weiße Haut, blaue Augen, rothaarig oder semmelblond
Mesopotamien und der Mittlere Osten
Als Mesopotamien wird das Land in Vorderasien bezeichnet, das zwischen den beiden Flüssen Euphrat und Tigris liegt. Es umfasste den heutigen Irak und Syrien. Im Norden grenzt es an das Taurusgebirge der Türkei und reicht im Süden bis an den Persischen Golf. Im Osten bilden die Berge des Irans und im Westen die Arabische Wüste natürliche Grenzen. Sumer war der südliche Teil Mesopotamiens zwischen dem heutigen Bagdad und dem Persischen Golf.
Der Ausdruck ›Der Mittlere Osten‹ umfasst ein erweitertes Gebiet. Leonard Woolley, der bekannte Ausgräber der südmesopotamischen Stadt Ur stellt am Beginn seines Buches ›Mesopotamien und Vorderasien – Die Kunst des Mittleren Ostens‹ fest: »Mittlerer Osten‹ wird hier benutzt, um ein Gebiet zu bezeichnen, das die später als Anatolien, Syrien, Palästina, Irak und Elam (ein Teil Persiens) bekannt gewordenen Länder und die gesamte Arabische Halbinsel umfasst. Diese Länder sind landschaftlich und klimatisch stark voneinander verschieden; ursprünglich wurden sie von Völkern unterschiedlicher Rassen bewohnt, und in den meisten von ihnen waren diese Ureinwohner am Ende der von uns behandelten Epoche durch vollkommen fremde Völker ersetzt.« (Woolley ›Mesopotamien und Vorderasien‹ 1961, S. 7)
Immer wieder werden große Fluchtwellen aus dem Norden Syriens in Richtung Süden festgestellt. Die autoritäre Macht wurde sukzessive von indoeuropäischen Eroberern aus dem Norden übernommen; sie bestimmten das Geschehen am Ende des lang andauernden Kampfes und des Umbruchs von der Freiheit in die Despotie vollständig.
Es gibt eine Menge Belege für die zerstörerischen Invasionen aus dem Norden, z.B. im nordmesopotamischen Hamoukar und Tepe Gaura. Diese Siedlungen aus der vor-sumerischen El-Obeid Zeit wurden durch ein gewaltiges Feuer zerstört. In der wieder aufgebauten Ortschaft von Tepe Gaura fand man birnenförmige Keulenköpfe – deren Anwendung als Totschläger in Ägypten zu trauriger Berühmtheit gelangten – »vermutlich eine der ältesten Waffen, die im Kampf benutzt wurden« (Michael Roaf ›Weltatlas der Alten Kulturen – Mesopotamien‹ 1991, S. 66).
In der eigenen Schrift heißt Sumer ›Kalam‹. Der deutsch-französische Altorientalist Jules Oppert (1825-1905) nannte das Land nach den Herrschern, die sich ›König von Sumer und Akkad‹ nannten als erster ›Sumer‹. »Wir wissen nicht«, schrieb der Historiker Will Durant 1935, »welcher Rasse die Sumerer angehörten, noch auf welchen Wegen sie nach Sumer kamen. Vielleicht stammten sie aus Zentralasien, aus dem Kaukasus oder aus Armenien und zogen den durch Nordmesopotamien fließenden und in den Persischen Golf mündenden Strömen entlang; denn in Assur sind Fundmassen ihrer frühesten Kultur entdeckt worden.« (›Kulturgeschichte der Menschheit – Der alte Orient und Indien‹ 1935, S. 117) Assur lag im Norden des heutigen Irak am rechten Ufer des Tigris. Der Ishtar-Tempel gehört zum ältesten archäologische Befund der Stadt, die möglicherweise um 2700 gegründet wurde. Das sind 800 Jahre nach dem die Stadt Hamoukar in Nordostsyrien von Eroberen aus dem Norden zerstört worden war. (s. Wolf ›Der erste Krieg der Weltgeschichte‹)
Obwohl der vorderasiatische Archäologe Hans J. Nissen bei der Erforschung der südmesopotamischen Kultur den Spuren von kriegerischen Überfällen, Eroberungen und Überlagerung der indigenen Völker Mesopotamiens auf Schritt und Tritt begegnet, weiß er erstaunlicherweise nichts von der gewaltsamen Machtnahme Mesopotamien und schreibt:
»Wir sind mit der Frage der Herkunft der beiden ethnischen Gruppen
[Sumerer und Akkader] überfordert.«
Er schliesst sich offenbar der irrigen Meinung an, dass die Sumerer die Schöpfer der frühen städtischen Kultur gewesen seien, oder zumindest ›maßgeblich‹ an den Entwicklungen dieser Zeit – so auch der Schrift – beteiligt waren, was zwar »unbewiesen, wenn auch nach wie vor plausibel« sei. Es bleibe immer noch die Frage, »ob die Sumerer die ursprünglichen Bewohner der babylonischen Tiefebene gewesen sind oder spätere Einwanderer.« (Hans J. Nissen, ›Geschichte Alt-Vorderasiens‹ 2012, S. 62 und S. 194, Hvhb. DW) Nach dem Vorschlag des Sprachwissenschaftlers B. Landsberger (›Three Essays on the Sumerians‹ 1974) »sind die Sumerer Einwanderer, die sich die alten Ortsnamen und weitere Begriffe der bereits ansässigen Bevölkerung zu eigen machten (G. Wilhelm ›Grundzüge der Geschichte und Kultur der Hurriter‹ 1982). Nissen bestätigt:
Die Sprache ist »das stärkste Argument für die Annahme,
dass die Sumerer nicht die autochthone Bevölkerung war.«
›Sumerisch‹ ist die Sprache Mesopotamiens nach der Invasion der Indo-Europäer. Sumerisch sei eine isolierte Sprache und mit keiner bekannten Sprache verwandt, wird behauptet. Aber Sumerisch war wohl nur mit keiner bekannten andern Sprache identisch, doch dürfte es sich wie bei der afroasiatischen Sprache Ägyptens um eine Mischform gehandelt haben, wie dies der Sprachwissenschaftler Landsberger angedeutet hat. Man kann davon ausgehen, dass die Eroberer die Sprache der indigenen vor-sumerischen Bevölkerung mit ihrer eigenen Sprache vermischten und überlagerten – was ja auch in Ägypten passierte – wobei die Sprache des indigenen Volkes jeweils nur noch rudimentär, als Substrat, erhalten bleibt.
Der französische Archäologe Jean-Claude Margueron stellte schon 40 Jahre vor Nissen fest: »Die Frage nach der Herkunft der Sumerer im südlichen Zweistromland, häufig gestellt, kann auch heute weder von der Sprachwissenschaft noch von der archäologischen Forschung eindeutig beantwortet werden.« (J.C. Margueron ›Mesopotamien‹ 1970, S. 176)
Jedoch waren die Sumerer keineswegs ›maßgeblich an den Entwicklungen dieser Zeit, so auch der Schrift beteiligt, wie Nissen glaubt. Eroberer sind nie Kulturbringer sondern Kulturzerstörer.
Leonard Woolley, der durch seine Ausgrabungen der frühdynastischen Königsgräber im mesopotamischen Ur bekannt wurde, führte die Gründe für die auffälligen Veränderungen, ja die Katastrophe, die sich in dieser Zeit in Mesopotamien abspielte, auf einen ›gewaltsamen Wechsel‹ zurück und in einer ›nationalistischen Auflehnung‹ gegen ein fremdes Regime. (Woolley ›Mesopotamien und Vorderasien‹ 1961, S. 52, Hvhb. DW) Er schreibt:
»Es scheint, dass in einer Epoche, die wir die Uruk-Zeit [je nach Chronologie 3900/3700 bis 3100/2900] nennen, aus den Bergen nördlich von Elam eine Infiltration von Menschen stattfand, die sich schließlich zu Herren dessen machten, was jetzt der sumerische Staat war.«
In der Geschichte des Altertums hören wir immer wieder von Überfällen der indoeuropäischen Berg- und Steppen-Nomaden auf die friedlichen Stadt- und Bauerngemeinden. Meistens erobern sie diese Gebiete und setzen sich als fremde Herrscher über die unterworfenen Völker. Die Ausbreitung über den ganzen Vorderen Orient bestimmte in der Folge »das machtpolitische Geschehen dieses Raumes grundsätzlich auch in der Folgezeit – bis in die Gegenwart« (Manfried Dietrich ›Semiramis – Die Frau im alten Orient‹ 1989, S. 131).
Im mesopotamischen Epos von Gilgamesh (um 2700) hören wir von der ungeheuren Bedrohung durch die Indo-Europäer und vom Bau einer gewaltigen, mit Wachtürmen besetzten Mauer, mit der die ganze Stadt Uruk umgeben wurde.
Burchard Brentjes. ein vorderasiatischer Archäologe, glaubt, aus der bestehenden Gesellschaft habe sich eine Gruppe zu Herrschenden aufgeschwungen, die das Volk in der Folge unterdrückte und ausbeutete; dass es fremde Eroberer gewesen sein könnten, die das Volk versklavten, sieht er nicht. Er schreibt: »Eine blühende Kulturlandschaft war entstanden, reich und mächtig, in der eine Gruppe der Gesellschaft die Macht an sich gerissen hatte, eben jene Herren der Tempel, die uns in ersten Texten als die Eigentümer riesiger, nach Hunderten Hektar zählenden Ländereien entgegen treten, 1200 Hektar nennt eine Tontafel als Besitz des EN/AN, des Herrn von Uruk und weitere 600 Hektar waren in den Händen von fünf anderen Priestern. Sie waren Grossgrundbesitzer, und ihre priesterliche Funktion erschwert die Erkenntnis ihrer sozialen Funktion. Die herrschende Klasse waren die Grossgrundbesitzer, die ihren Grundbesitz von Nichtbesitzenden bearbeiten liessen, die zum Teil einen Lohn erhielten. Einige wenige Texte geben Auskunft über die Rechtsstellung dieser Arbeitenden, die ›Männer und Frauen aus dem Bergland‹ genannt werden, ein Begriff, der sich für Sklaven einbürgerte.« (Burchard Brentjes ›Völker an Euphrat und Tigris‹ 1981, S. 53, 75, 77 f.)
Das Erstaunliche ist – und das teilt Brentjes mit vielen Autoren, dass er nicht auf die Idee kommt, dass auch die Anführer, die Herren und späteren Herrscher „aus den Bergland“ kommen. Wir begegnen dem Anführer, dem „Bärtigen mit Hut und Mantel“ in kriegerischen Aktionen, sowohl in Ägypten und Mesopotamien. Niemand will sich vorstellen können, dass es sich hier um eine regelrechte feindliche Invasion handelt. Er schreibt von der Katastrophe, die sich damals abspielte:
›Eine soziale Revolution ging vor sich, die die Jahrmillionen der Gleichheit beendete, ein gesellschaftlicher Umsturz…‹
(Burchard Brentjes)
Unverständlich auch, dass Brentjes nicht zur Kenntnis genommen hat, was Samuel Noah Kramer schon zwei Jahrzehnte vor ihm ausführlich und einleuchtend dokumentiert hatte: Es waren nicht die Reichen gegen die Armen des eigenen Volkes, wie Brentjes meint, sondern die Überfälle der patriarchalen Indo-Europäer aus dem Norden auf die kultivierten matriarchalen Völker des Südens. Brentjes schreibt: »Eine soziale Revolution ging vor sich, die die Jahrmillionen der Gleichheit beendete, ein gesellschaftlicher Umsturz, der mit der Erfindung der Sichel und der Reibmühle begonnen hatte und dessen Grundlagen in den Jahrtausenden von Mureybet bis Obed entstanden waren… Schriftliche Berichte wie jenes Epos [von Gilgamesh] wurden erst verfasst, als der Umsturz vollzogen war, so dass wiederum die Archäologie die Vorgänge entschlüsseln muss, die zur Entstehung der Staaten Sumers, Chustistans und des nördlichen Tieflandes führten. Noch sind viele Fragen offen, aber schon kann der Übergang von der Urgesellschaft zum Staat in mehreren Regionen nachgezeichnet werden, ein Prozess, der zwei Aspekte hatte. Es war einmal die oben angedeutete Einrichtung eines Zwangsapparates in der Gesellschaft, einer Armee und anderer Gewaltmittel im Dienst einer herrschenden Klasse. Zum anderen war es eine neue Organisation der Gesellschaft, eine territoriale Erfassung der Angehörigen des Volkes statt der Vereinigung der Verwandten in der Familie, der Sippe und dem Stamm… Im 3. Jahrtausend erhielten nach Aussage der schriftlichen Quellen Mesopotamiens die abhängigen Arbeitskräfte in Tempeln und Palästen feste Rationen an Gerste, Bier und Wolle, gelegentlich auch Fisch, Gemüse und andere Produkte. Zu ihrer Verteilung dienten ›genormte‹ Gefäße, wie ›Glockentöpfe‹. Ihre Entdeckung in den Ruinen der Zentren und Städte lässt auf die Ausbildung einer abhängigen Bevölkerunsgruppe schließen, von Armen oder Kriegsgefangenen, die für die Herren der Prunkbauten arbeiten mussten. Die Art der Abhängigkeit ist nicht festzustellen, aber der archäologische Befund spricht für den Aufbau einer sozial gegliederten Gesellschaft, in der die Gewalt regierte.« (Burchard Brentjes ibd. 1981, S. 53 f.)
»Dem Einmarsch der Sumerer folgte eine Zeit der Stagnation,
des Rückschrittes und des Zusammenbruchs der früheren fortgeschritteneren Kultur.« (Kramer ibd. 1959, S. 166)
Jean-Claude Margueron war ebenfalls der irrtümlichen Überzeugung, »dass wir mit Sicherheit sagen können, dass die Sumerer entscheidenden Anteil am Aufstieg zur mesopotamischen Hochkultur seit der frühen Schriftzeit haben, mithin also zu Beginn dieser epochalen Wende um 3000 bereits im südlichen Zweistromland verbreitet waren. Wir können demnach mit ihrer Landnahme in der voraufgehenden Urukperiode rechnen.« (J.C. Margueron ›Mesopotamien‹ 1970, S. 176) Die geradezu ins Auge springenden Zeugnisse von Gewalt, Zerstörung und Massakern sieht Margueron nicht. Die Bezeichnung ›Hochkultur‹ für die neuen Staatsformen der Eroberer, die auf Gewalt basieren, ist ein immer wieder befremdliches Problem der Geschichtsschreibung.
Die Sumerer schufen nichts Neues:
Sie eigneten sich einfach die matriarchalen Kulturleistungen an.
Die Sumerer übernahmen die längst bestehende matriarchale Frühzivilisation, die nicht auf Gewalt sondern auf Klugheit und Menschlichkeit aufgebaut war. Das was Margueron beschönigend als ›Landnahme‹ bezeichnet, sind aggressive Überfälle und Landraub. Als die Sumerer ›einwanderten‹, bzw. das Land kriegerisch eroberten, hinterließen sie nur Spuren von Plünderung und zerstörerischer Gewalt. Sie hatten keinen ›Anteil am Aufstieg der mesopotamischen Kultur‹, wie Margueron glaubt. . Für das lange Bestehen dieser grossen matriarchalen Zivilisation des Neolithikums gibt uns der Sumerologe Samuel Noah Kramer einen klaren Hinweis. Er schreibt:
»Wir sind zur Annahme berechtigt, dass die Sumerer nicht die ersten Siedler im unteren Mesopotamien waren, sondern dass ihnen eine zivilisierte Macht von einigem Umfang vorangegangen sein muss, eine Macht, weit fortgeschrittener als die Sumerer.« (Samuel N. Kramer ›Geschichte beginnt mit Sumer‹ 1959, S. 164) Dies wird vom Archäologen Hans J. Nissen bestätigt. Wir verdanken ihm eine der interessantesten Tatsachen (Nissen ibd. 2012, S. 53), er schreibt:
»In der späten Uruk-Zeit (ca. 3400 bis 3300) konnte Uruk
»bereits auf eine fast 1000-jährige Geschichte zurückblicken.«
Das bedeutet aber nichts anderes, als dass die matriarchale Zivilisation in Mesopotamien beinahe 1000 Jahre v o r der indoeuropäischen Eroberung und der Zerstörung von Hamoukar im Norden um 3500, bestanden hatte, was auch Burchard Brentjes bestätigt:
Im Süden legten »die Grabungen in Eridu unter dem Terrassentempel der frühsumerischen Staatszeit (um 3000) 18 [achtzehn !] Schichten frei, die das Wachsen des Tempels aus dem kleinen Kultraum« der Göttin Inanna belegen.
»In einem um 2000 aufgeschriebenen Mythos versucht man dann, den Hergang der Geschichte zu verdrehen, indem der Gott Enki – in einer Umkehrung der Tatsachen – behauptet, Inanna habe alle Geschenke der Zivilisation von ihm gestohlen. So eignen sich die Männer an, was Frauen in langen geschichtlichen Prozessen entwickelt haben und geben es hemmungslos als ihre eignen Erfindungen aus.« (Heide Göttner-Abendroth in ›Die Chronik der Frauen‹ 1992, S. 57) (s. Wolf ›Das matriarchale Königinnentum MESOPOTAMIENS‹)
Der Sumerologe Samuel N. Kramer spricht eine deutliche Sprache. Er beschreibt die Sumerer als ›kriegslüsterne, bewaffnete Abenteurer aus dem Norden‹. Er geht davon aus, dass sumerische Kriegerhorden, »dieses primitive und wahrscheinlich nomadische Volk, das entweder aus Transkaukasien oder aus den transkaspischen Gegenden gekommen sein mag«, in der zweiten Hälfte des 4. Jahrtausends in Mesopotamien eingefallen seien:
»Sie unterwarfen die ältere Bevölkerung, deren Kultur weit fortgeschrittener war, als die der Sumerer. In diesen Jahrhunderten, die im sumerischen Heldenzeitalter gipfelten, waren es die kulturell unreifen und psychologisch unstabilen sumerischen Kriegsherren mit ihrer individualistischen und raubgierigen Veranlagung, welche die geplünderten Städte und niedergebrannten Dörfer des besiegten mesopotamischen Reiches beherrschten.« (Kramer ›Geschichte beginnt mit Sumer‹ 1959, S. 165 + 163)
Der Forscher Marc Wilhelm Küster schreibt über Sumer, es handle sich um eine »Sammlung von Stadtstaaten, die sich oft gegenseitig blutig befehdeten und einander immer wieder wechselseitig unterwarfen. Die Stadtstaaten wurden von Fürsten – ein solcher hieß auf Sumerisch lu-gal (großer Mann) – regiert, die in aller Regel in Personalunion Träger des höchsten sakralen Amtes waren – oftmals regelrechte Gottkönige.« ›Regelrechte Gottkönige‹? Regelrecht größenwahnsinnige Männer, die sich tatsächlich einbildeten und sich attestieren ließen, über übermenschliche ›göttliche‹ Fähigkeiten zu verfügen. Der Cäsarenwahn der Diktatoren und Despoten grassierte allüberall, wo einzelne Männer die alleinige Macht hatten, von den Lugals in Sumer, den Pharaonen in Ägypten, Alexander und den römischen Kaisern, den Kaisern von Japan und China bis zu den Diktatoren unserer Tage, welche das beste Beispiel dafür sind, dass sich die Geschichte wiederholt. Wie es aussieht, haben die Machthaber die Lektionen des Despotismus gelernt und verinnerlicht. Doch hat das ›Volk‹ nichts daraus gelernt, vermutlich, weil sie die Geschichte nicht kennen. Die absichtlich in Unkenntnis gehaltenen ungebildeten Massen sind für Ideologien äusserst empfänglich, ob durch politische oder religiöse Propaganda. Sie sind Gläubige, d.h. Nicht-Wissende, die ihrer – scheinbar gottgewollten – jedoch den Interessen irdischer Männer und ihrem Machtstreben dienenden Unterwerfung zustimmen. »Gottkönige«, schreibt Küster weiter, »standen einer mächtigen und reichen Priesterkaste vor, deren extreme Ausprägung der sumerischen Gesellschaft in Vielem ihren Stempel aufdrückte, zumal sie gleichzeitig im Regelfall die Führungskader der Verwaltung stellte. Traditionell spielte der Dualismus von Palast und Tempel, beide vereinigt in der Person des Stadtfürsten, eine große Rolle im Wirtschaftsleben der Stadt. Oftmals hatten Palast und Tempel ein nahezu vollständiges Monopol auf alle Arten von Handel und kontrollierten das Handwerk und den Agrarsektor. Insbesondere die Landwirtschaft benötigte ein hohes Maß an Koordination, da die Bewässerungsanlagen und Kanäle, die unverzichtbar waren, um die Felder vor den beiden Extremen Trockenheit und Überschwemmungen zu schützen, ständig gewartet werden mussten, wenn sie nicht in relativ kurzer Zeit versanden oder verfallen sollten. Eine solche Aufgabe, welche die Individualinteressen weit übersteigt, konnte nur von einem streng durchorganisierten Kollektiv geleistet werden.« (Küster ›Geordnetes Weltbild: die Tradition des alphabetischen Sortierens von der Keilschrift bis zur EDV; eine Kulturgeschichte‹ 2007, S. 76) Wie man sich dieses ›streng durchorganisierten Kollektiv‹ vorstellen soll, lässt Küster Wolfgang Röllig erklären. Der studierte Theologe Röllig schreibt, dass diese Aufgabe »nur durch Koordination der Kräfte, durch Zentralisation unter starker Herrschaft gemeistert werden konnte… Staatliche Macht war aber begründet in göttlicher Macht.« (Wolfgang Röllig ›Die altorientalischen Literaturen‹ 1978. S. 9, Hvhb. DW) Wolfgang Röllig hält viel von mit göttlicher Macht ausgestatteten Männern. Er behauptet in seiner Festschrift für die Ägyptologin Emma Brunner-Traut (1992, S. 284) geradezu Aberwitziges: »Es gibt einen entscheidenden Schritt in der Geschichte des Menschen, der auch sein Verhältnis zu den Göttern maßgeblich bestimmt, nämlich die Schaffung einer eigentlichen, einer menschlichen Kultur, die sich abgrenzt gegenüber der ungeordneten, vorzivilisatorischen Welt. Dabei ist es sicher kein Zufall, dass das Königtum, das vom Himmel herabkam, als Erstes von einem Manne bekleidet wird, der danach wieder zum Himmel hinaufsteigt.« Bedenklich wie viel Müll an Universitäten gelehrt werden kann.
Die Sumerer: Weiße Haut, blaue Augen, rothaarig oder semmelblond
›Statue de l’Intendant Ebih il, Mari, um 2400 ( Louvre).
Dass die Sumerer Weiße waren, bezeugen die sogenannten Beter Statuetten, die meist glatzköpfigen, bärtigen Priesterfiguren (Adoranten) mit den auffallend blauen Augen. Sie sind Repräsentanten der indoeuropäisch/arischen Priesterkaste, einer Kaste machtsüchtiger Männer, die ihre Herrsch- und Habsucht religiös zu verbrämen wussten.
Der Beginn des patriarchalen Königtums ist in Mesopotamien und Ägypten etwa zeitgleich. Interessant, aber unbeachtet blieb die Tatsache, dass die den ägyptischen König umgebenden Höflinge ›smr‹ genannt wurden. ›smr‹ wird in verschiedenen Varianten als ›Freund und Liebling seines Herrn‹ erwähnt. Da weder die Vokalisation der altägyptischen Sprache noch die Umschrift der Hieroglyphen einheitlich sind und von verschiedenen Autoren, verschiedener Länder und Sprachen unterschiedlich transkribiert wird, kann smr mit ›Semer‹, aber genau so gut mit Sumer oder Sumerer übersetzt werden. Als Teil von Eigennamen ist ›Semer‹ schon in der 1. Dynastie bei König Semer-chet, bzw. Hor-Semer-Chet. Nicht nur erkennen wir bei diesem König seine Zugehörigkeit zum mächtigen indoeuropäischen Stamm der Hor-iter, sondern er teilt uns auch seine Herkunft als Arier mit; er wurde auch Semer-Chet-Ari–Nebti geheissen. Die Namen sind oft sehr aussagekräftig. Wie der US-amerikanische Archäologe und Philologe altorientalischer Sprachen, W.F. Albright betonte, die Analyse von Personen- und Ortsnamen sei ein wichtiges Mittel zur Identifizierung verschiedener ethnischer Elemente. (›The Cambridge Ancient History I‹ 1970, I, S. 128) Das dürfte auch hier der Fall sein.
(Dieser Artikel wurde zuerst am 24.9.2015 veröffentlicht und zuletzt am 24.8.20 aktualisiert)