Das ›Zerhacken des Nubierlandes‹
Aus dem Inhalt:
- ›Das Zerhacken des Nubierlandes‹
- Die Zerstörung Nubiens durch die ägyptischen Eroberer-Könige
- Sati – Die geopferten matriarchalen Königinnen von Kerma
- Die Zerstörung der nubischen A-Kultur
- Sesostris III. der brutale Eroberer und Zerstörer
- Die schwarzen Königinnen
- Der letzte Akt des nubischen Dramas
›Erbärmliches Nubien‹ ?
Nubiens Kultur geht wie jene des weiter nördlich gelegenen Hierakonpolis bis ins 6. Jahrtausend zurück und ist mit ihr eng verbunden; ist kultiviert, prosperierend und friedlich. Der französische Ägyptologe Georges Posener meint mit rassistischer Überheblichkeit: »Die Länder im Süden Ägyptens hatten eine kulturell wenig hoch stehende Bevölkerung, die sich jedoch gut als Soldaten verwenden ließen.« Und Posener hat gar die Unverfrorenheit zu behaupten, die Bewohner Nubiens seien von den Ägyptern »zivilisiert« worden (LdÄK 1960, S. 186). Derartige Aussagen benutzen weiße Kolonialisten und ihre Helfershelfer, die christlichen Missionare, nachdem sie Länder erobert, versklavt, ausgeraubt, verwüstet und die Menschen ihrer Würde, ihrer Kultur und Identität beraubt oder ausgerottet haben.
›Das erbärmliche Nubien‹ nannten die indoeuropäischen Eroberer das Land verächtlich. Sie verachteten die friedlichen dunklen Menschen als barbarische Wilde, die nicht einmal Waffen besaßen und sich nicht wehren konnten. Für sie war Nubien lediglich ein primitiver Außenposten, den man ausbeutete und als Reservoir von Soldaten-›Material‹ benutzte.
Links: Diese Keramik-Gruppe datiert aus der C-Gruppen Kultur (2300 –1600 v. Chr.) Hergestellt aus gebranntem Ton, gefunden im Friedhof von Aniba (Berlin, Ägyptisches Museum und Papyrussammlung)
»Gerade die Keramik sticht in ihrer Schönheit und Sorgfalt von der industriellen Massenware ab, die in Ägypten üblich war. Häufig tragen die Gefäße reiches geometrisches Dekor, und aufgrund ethnologischer Parallelen darf man vermuten, dass diese Muster eine präzise Bedeutung hatten, z.B. die Zugehörigkeit zu Familien oder Clans anzeigten.« (http://aaew.bbaw.de/wbhome/begleitHeft/).
Die matriarchalen BewohnerInnen Nubiens stellten nicht nur diese wunderbare Keramik, sondern als VerehrerInnen der Großen Göttin auch kleine nackte Göttinnen-Statuetten her. Die Eroberer hingegen, ließen sich in Ägypten monumentale Statuen zu ihrer eigenen Verherrlichung anfertigen
Statuette mit Tätowierungen der C-Gruppe Nubiens
(Nationalmuseum Khartum. Foto: Jürgen Liepe)
Die brutale Zerstörung der nubischen Hochkultur durch die Eroberer aus Ägypten
Nachdem als erste Stadt das oberägyptische Hierakonpolis von den indoeuropäischen Invasoren erobert, besetzt und versklavt war, drangen die Eroberer nach Nubien vor. Von beiden Ereignissen gibt es Dokumente, die die Brutalität der Invasoren bezeugen, jedoch werden diese immer wieder verharmlost. (s. ›Hierakonpolis und ein irritierendes Wandbild‹)
Bereits ab der 1. ägyptischen Dynastie, zu Beginn des 3. Jahrtausends, wird sichtbar, dass die weißen Invasoren es insbesondere auf das Goldland Nubien abgesehen hatten und dort wie die Berserker wüteten. Im Laufe der Invasionen wurde die soziale und religiöse Struktur Nubiens tiefreichend und nachhaltig zerstört.
Das rassistische Massaker von Wadi Halfa:
Kriegsschauplatz mit Gefangenen und erschlagenen Nubiern.
Ein Schiff mit hohem Bug schwimmt inmitten von Leichen .
Auf einen Sandsteinblock in Wadi Halfa meißelte ein ägyptischer Truppenschreiber vor 5000 Jahren das entsetzliche Bild der zerstörerischen Nubien-Expedition seines Herrn, des Horiters Hor-Djer (König der 1. ägyptischen Dynastie). Diese Felszeichnung zeigt nicht ›rituelle Menschenopfer‹, nicht ideologisch oder religiös verbrämte Tötungen, sondern brutale Morde an der nubischen Bevölkerung. Als Plünderer des Goldlandes Nubien, nannte sich Djer ›Ni-nebu‹ – ›Der Goldene‹ (s. Wikipedia ›Djer‹)
Emma Brunner-Traut beteuert scheinheilig oder naiv (?): »Das Gold aus Nubien zahlten die Ägypter durch ihren militärischen Schutz gegen die Nomaden-Überfalle aus der Wüste.« (›Ägypten – Kohlhammer Kunst- und Reiseführer‹ 1978/1988, S. 150) Denkste! Die Eroberer Ägyptens waren es selbst, die das Land überfielen und unterdrückten. Der Ägyptologe G. A. Reisner deutet an, dass die Provinz mit eiserner Hand gehalten worden sei und dass nichts aus dem Einkommen des Landes den ägyptischen Herrschern entging. Reisner leitete 1907 die erste archäologische Kampagne zur Rettung Nubiens vor dem Bau des ersten Assuan-Staudammes; das Gebiet zwischen dem 1. und dem 2. Katarakt von Assuan bis Wadi Halfa.
Ramses II. erschlägt einen Nubier (Abu Simbel nach Ch. Desroches-Noblecourt/
Kuentz ›Le petit temple‹ 1968, Tafel 3)
Sati –Die geopferten Matriarchinnen von Kerma
Hor-Djer/Zer (indoeuropäisch: Zar), ging ebenso brutal wie in Nubien gegen die Einheimischen in Ägypten vor. Seine Grabanlage in Abydos zeugt mit 318 Nebengräbern von den Menschen, die mit ihm sterben mussten. Meistens werden die Getöteten als Diener bezeichnet. Dem widerspricht jedoch, dass »analog zu den großen Grabstelen der Könige 97 kleine Stelen mit Namen und Titeln gefunden wurden, die eine Zuweisung dieser Grabkammern erlauben; von den 97 Stelen gehören 76 Frauen« (Hornung ›Tal der Könige‹ 1982, S. 49). Diener und Dienerinnen, versklavte Einheimische und gefallene Soldaten und Gefangene, erhielten wohl kaum Grabstelen; hier muss es sich um Angehörige der matriarchale Königinnen gehandelt haben, die während der 1. Dynastie samt den Königinnen beseitigt wurden. Das gleiche geschah am frühdynastischen Königinnenhof von Kerma. Reisner legte die Gräber der ermordeten Frauen im nubischen Kerma frei und betont, kein geistig Normaler könne sich der Überzeugung entziehen, dass diese Überreste von Personen seien, die tatsächlich lebend begraben worden sind (zit. von Michael A. Hoffman ›Egypt before the Pharaos‹ 1980, S. 278). Reisner entsetzt sich über die unbeschreibliche Grausamkeit der ägyptischen Eroberer gegenüber den unterworfenen Nubiern, die von kaltblütiger Barbarei zeuge, zu der auch die Strangulierung oder lebendige Beisetzung Hunderter ihrer Ehefrauen und Diener gehörte (Reisner ZÄS 1914, S. 49).
Von unglaublichem Zynismus zeugt dagegen die Ansicht von Joseph Campbell, der die Frauenopfer als einen ›altehrwürdigen Brauch des Menschenopfers‹ bezeichnet. Er erklärte, nachdem er George Reisners Beschreibung der ermordeten Frauen von Kerma gelesen hatte, dass trotz der Anzeichen von Leiden, ja sogar Panik, im Augenblick des Erstickens der seelische Zustand dieser Menschen nicht nach unserem Maßstab gemessen werden sollte: »Denn diese Opfer waren keine Individuen im eigentlichen Sinne; das heißt, sie waren keine eigenständigen Lebewesen, die sich aus einer Klasse oder Gruppe durch ein Bewusstsein von persönlichem, individuellem Schicksal oder von persönlicher, individueller Verantwortlichkeit heraushoben« (zit. von Mary Daly ›GYN/ÖKOLOGIE‹ 1986, S. 138). Die Philosophin Mary Daly, die diese Sätze Campbells zitiert, vermerkt erschüttert, dass sie keines der Worte dieses Zitats hervorgehoben habe, weil sie sonst jedes Wort hätte unterstreichen müssen. »Was uns vorgesetzt wird, ist nicht im eigentlichen Sinne Unwahrheit, sondern eine partiell unterdrückte Wahrheit, die vom Leser übersehen, in ihrer Bedeutung nicht wahrgenommen und ad acta gelegt wird.« Ebenso zynisch schreibt Siegfried Morenz über Kinderbestattungen. Das Kind sei »im Sinne jener Kultur (von Ras Schamra) noch kein Vollmensch, ja überhaupt noch kein Mensch« gewesen (Orientalia, Nova Series, Vol. 20, No. 2 1951, S. 211). Man beachte: Morenz ist nicht nur Ägyptologe auch evangelischer! Theologe. Würde eine gesunde Mutter je so einen unglaublichen Gedanken äussern?
Aus den Annalen des Snofru, des 1. Königs der 4. Dynastie, erfahren wir vom sogenannten Palermostein vom ›Zerhacken des Nubierlandes‹. Angeblich nahmen Snofrus Schergen 7000 Männer, Frauen und Kinder gefangen und erbeuteten 200.000 Stück Vieh. »In einer biografischen Inschrift des Pepi-Nacht aus der 6. Dynastie ist die Feststellung überliefert: ›Es sandte mich die Majestät meines Herrn, um das Land Wawat (Nubien) zu zerhacken. Und ich handelte zum Lobpreis meines Herrn und ich brachte von dort für den Palast eine große Menge von Gefangenen‹ mit.« (Wilfried Seipel in Eggebrecht Arne ›Das Alte Ägypten‹ 1984, S. 149 f.) Ebenso stolz auf die vollbrachten Gräueltaten berichtet ein anderer Feldherr: »Ich tötete eine große Zahl. Die Fürstenkinder und die Vornehmen führte ich in großer Zahl zur Residenz.« (Save-Söderberg, Urkunden I, S. 133 f.) Ebenfalls aus der 6. Dynastie berichtet ein Heerführer von Pepi I:
Die Armee kehrte sicher zurück,
Nachdem sie das Land der Sandbewohner zerstückelt …
Nachdem sie die Umzäunungen niedergeworfen …
Nachdem sie die Feigenbäume und Weinstöcke gefällt …
Nachdem sie Feuer an alle Wohnsitze gelegt …
Nachdem sie Truppen zu vielen Zehntausenden getötet hatte.
Kommt uns das alles nicht erstaunlich bekannt und nahe vor? »Es zeigt den Weg, den Imperien überall gegangen sind: die gleichen prahlerischen Worte, die gleichen verwerflichen Taten, die gleichen schmutzigen Resultate von der frühesten ägyptischen Steintafel bis … Vietnam.« (Lewis Mumford ›Mythos der Maschine – Kultur, Technik und Macht‹ 1974, S. 259) Und heute müsste man noch den Irak, den Sudan, Palästina, den Maghreb, Syrien usw., usw. anfügen.
Schon lange vor den Pharaonen war der Nil der kulturelle und wirtschaftliche Korridor zwischen dem ägyptischen Norden und dem Herzen des tropischen Schwarzafrikas. Hier gab es jene Rohstoffe, auf die sich die Begierden der indeuropäischen Invasoren richteten: In erster Linie wollten sie Gold; dann Weihrauch und Elfenbein, Ebenholz, Straußenfedern, exotische Tiere und Rinderherden. Das damalige Nubien war dank des Nils und der zahlreichen Nebenflüsse grünes Weideland für die Rinder. Kühe waren, wie in Ägypten, heilige Tiere – sie wurden, wie noch im heutigen Indien – niemals geschlachtet und schon gar nicht gegessen. Die Urvölker am Nil waren Fischer und Vegetarier. Sie feierten offensichtlich gerne, hatten Muße für Zusammenkommen, für Gesang, Musik und Tanz; in ihrem Gebiet fand man hunderte von Steintrommeln, sogenannte Felsgongs, die viele Kilometer weit gehört werden konnten.
Die Zerstörung der nubischen A-Kultur
Immer wieder zogen königliche Truppen der Erobererkönige nach Süden. Mit brutaler Gewalt raubten, plünderten und brandschatzen sie, um ihre Gier nach den Schätzen Afrikas zu befriedigen. Zur Zeit der ersten ägyptischen Dynastie (ca. um 2800) wurde die nubische Region der A-Gruppe vollständig entvölkert. (Geoff Emberling, ›Nubia: Ancient Kingdoms of Africa‹, 2011, p. 8.) Die Entstehung der darauf folgenden, viel ärmeren B-Gruppe, wird kontrovers diskutiert. Die einen erkennen sie als Folge der ägyptischen Invasionen, die andern sehen lediglich eine einfachere, primitivere Fortsetzung der A-Gruppe.
Patriarchale Wissenschaftler bestreiten das Massaker an den Nubiern oder verharmlosen sie, wie die Ägyptologen Baines und Malek. Sie schreiben: »Die Aktivität der Ägypter in der Zeit zwischen der 1. und 4. Dynastie führte, vielleicht beschleunigt durch ungünstige Klimaveränderungen, zum Untergang der nubischen A-Gruppe, der erst nach einer zeitlichen Unterbrechung um 2250 eine als C-Gruppe bezeichnete Bevölkerung nachfolgte.« (John Baines /Jaromir Malek ›Weltatlas der alten Kulturen – Ägypten‹ 1980, S. 333) Die Zerstörung und Masakrierung Nubiens war so gründlich, dass es ca. 600 Jahre dauerte, bis sich dort wieder Menschen ansiedelten. Die Klima-Ausrede ist ein beliebter Rechtfertigungsversuch wenn es um Invasionen, Vertreibung, Landraub, Gewalt und Krieg geht.
…..Nie empört sich ein Ägyptologe, dass die Länder südlich von Ägypten und Innerafrikas versklavt, ausgeraubt und zerstört wurden. Ein Nicht-Ägyptologe bringt es auf den Punkt; der Anthropologe Stuart Smith nennt die Politik der Herrscher gegenüber Nubien einen »Ausrottungs-Imperialismus« (KMT Journal 3, 1992, S. 40). Kaltblütige Interpretationen, patriarchale Phantasien und schockierende Verharmlosungen entsetzen noch immer. So macht auch der lakonische Bericht Wolfgang Helcks zum Massaker an den Nubiern fassungslos. Er schreibt, das »Erschlagen der Feinde«, das zu den »bedeutsamen Tätigkeiten der Herrscher« gehörte, womit sich der König von »chaotischen Emotionen befreite, änderte sich erst mit der 3. Dynastie, als Arbeitskräftemangel zur groß angelegten Einfuhr gefangener Nubier zwang« (LÄ, II, S. 306 + LÄ, III, S. 786).
Endlich findet sich eine bedauernde Äußerung zu diesen maßlosen Verbrechen, die an den Nubiern begangen wurden. Sie hat einen so eklatanten Seltenheitswert, dass sie hier erwähnt sei. Eva Eggebrecht schreibt: »Auch wenn die Beutezahlen übertrieben sind, haben die razzienartigen Überfälle auf die Gebiete jenseits des 1. Katarakts… doch zu schweren Verwüstungen geführt. Erst gegen Ende des Alten Reiches erholte sich Nubien von der Drangsal, die ihm der mächtige Nachbar zugefügt hatte.« (Arne Eggebrecht ›Das Alte Ägypten‹ 1984, S. 55) Und: »Die Drangsalierung der Bevölkerung, wie sie im Stelentext Sesostris’ III. zum Ausdruck kommt, blieb offenbar auf die Zeiten der Eroberung beschränkt. Nachdem der Widerstand der einheimischen nubischen Bevölkerung gebrochen war, musste den Ägyptern sogar daran gelegen sein, umgehend gute Beziehungen zu den Bewohnern zu haben, die ja auf die Dauer die Versorgung der Besatzer gewährleisten sollten«, meint ebenfalls Eva Eggebrecht (ibd. 1984, S. 64). So denkt eine Frau, doch so haben Besatzer noch nie gedacht! Sie raubten und plünderten immer, wonach ihnen der Sinn stand.
Der Aderlass Nubiens zerstörte die großartige neolithische A-Kultur, die parallel zur oberägyptischen Nagada-I-Kultur bestanden hatte. Die handwerklichen und künstlerischen Fähigkeiten des nubischen Volkes wurde zu Grunde gerichtet. Eine zeitweise vollständige Entvölkerung Nubiens war die Folge, ausgelöst durch Flucht, Massaker und Verschleppung.
Gesetze zur Ausbeutung der Menschen waren wichtiger als Menschlichkeit
Unter dem Titel ›Recht und Ordnung – die Polizei‹ schreibt Wilfried Seipel: »Für die Einhaltung der Gesetze und Rechtsvorschriften, aber auch für die Durchsetzung und Kontrolle bestimmter Verwaltungsvorgänge, etwa bei der Abgabenerhebung wurden seit dem Alten Reich Polizisten eingesetzt, die organisatorisch vom Militär getrennt waren. Ihre Hauptaufgabe bestand wohl darin – darauf deuten zahlreiche Abbildungen schon in den Gräbern des Alten Reiches hin –, mit Stockschlägen das Ergebnis der Steuereintreibung zu verbessern, entlaufene Sklaven zurückzubringen und das Gewicht von Waren (zum Beispiel von Broten) zu kontrollieren. Als mit Stöcken bewaffnete Ausführungsorgane von Verwaltung und Wirtschaft waren sie ein nicht wegzudenkender Bestandteil des ägyptischen Alltagslebens.« (Seipel in Arne Eggebrecht ›Das Alte Ägypten 1984, S. 154 f., Hvhb. DW)
Unter den Füßen der Kolossalstatue Ramses II. in Abu Simbel sehen wir nubische Gefangene
mit Stricken um den Hals aneinander gefesselt.
Unter Stockschlägen und Peitschenhieben wurden Hunderttausende SudanesInnen nach Ägypten
in die Sklaverei verschleppt. (Relief des Grabes von Haremhab um 1300, Museo Civico,
Bologna, nach Arne Eggebrecht ›Das Alte Ägypten 1984, S. 440)
›Diese Kriege waren eben eigentlich nur Raubzüge‹ (Adolf Erman)
Afrikanische Tributbringer (nach (Manfred Gutgesell in Arno Eggebrecht ›Das Alte Ägypten‹ 1984, S. 224)
»Der Vizekönig von Nubien und Statthalter des Südens Hui amtierte zur Zeit Tutanchamuns. Die Malereien des Grabes (Theben Nr. 40) schildern ausführlich die Aufgaben seines Amtes, deren wichtigste die Überwachung der nubischen und afrikanischen Tribute war. Der Ausschnitt zeigt die Übergabe von Gold und Weihrauch.« (Manfred Gutgesell)
Wie wir sehen wiederholten sich die Massaker und Plünderungen Afrikas durch eine brutal operierende ägyptische Militärverwaltung bis ins Neue Reich (vom 16. bis ins 11. Jahrhundert). Einer der Vizekönige von Nubien, Usersatet, listete die Tributträger, die das Raubgut aus Innerafrika nach Ägypten brachten wie folgt auf: »Jene, die Silber tragen: 200 Männer; jene, die Gold tragen: 150 Männer; jene, die mit Karneol beladen sind: 200 Männer; jene, die mit Elfenbein beladen sind: 40 Männer; jene, die mit Ebenholz beladen sind: 1000 Männer, jene, die mit Weihrauch aus den südlichen Ländern beladen sind: 200 Männer; jene, die einen lebenden Panther führen: 10 Männer; jene, die Hunde führen: 20 Männer; jene, die Lang- und Kurzhornrinder führen: 200 Männer; Summe der Tributträger: 2657.« (Nicolas Reeves ›Echnaton‹ 2002, S. 48)
Tribut: Tiere aus Afrika (nach Manfred Gutgesell in Arno Eggebrecht
›Das Alte Ägypten‹ 1984, S. 224, Abb. S. 225)
»Im Grab des Wesirs Rechmire (Theben Nr. 100) sind die Abgaben aus Afrika bildlich verzeichnet. Neben Ebenhölzern, Elfenbein und Fellen gehören dazu auch lebende Tiere. Die Tributbringer führen einen Pavian, einen Gebard und eine Giraffe, an deren Hals eine grüne Meerkatze hochklettert.« (Gutgesell do.)
Tributszene aus dem Grab von Rechmire. (George Alexander Hoskins (1802-1863) – George Alexander Hoskins,
Travels in Ethiopia above the 2nd cataract) (Wikipedia TT100) Mit ›Ethiopia‹ wurde in der Antike eine Region bezeichnet, die neben dem eigentlichen Abessinien auch Nubien, Sudan und Teile Libyens einschloss.
Sesostris III. der brutale Eroberer und Zerstörer
›Er ist ja ein Gott ohne seinesgleichen, nie gab es einen, der ihn übertrifft. Über Weisheit verfügt er, trefflich im Planen, wirkungsvoll im Befehlen; man zieht aus und kehrt zurück zum Geheiß. Ein Held ist er, der mit seinem Arm wirkt, ein Kämpfer, dem niemand gleichkommt. (Aus den Inschriften zweier Grenzstelen Sesostris III. in Semna am 2. Katarakt, Walter Wolf)
Auf der Stele »umreißt Sesostris III. die Grundlagen seiner nubischen Politik. Seine Majestät setzt die südliche Grenze bei Semna. ›Ich habe meine Grenze weiter südlich als meine Vorväter gezogen; was mir übergeben worden war, habe ich vermehrt. Ich bin ein König, der spricht und handelt; was mein Herz plant, geschieht durch meine Hand; (ein König,) der losschlägt, um zuzupacken, der losstürmt, zu glücklichem Gelingen, der nicht ruht, solange ein Plan in seinem Herzen ist, der an die Geringen denkt, beständig an Milde, nicht milde aber gegen den Feind, der ihn angreift; (ein König,) der angreift, wenn er angegriffen wird, aber schweigt, wenn man schweigt, der eine Rede nach ihrem Inhalt beantwortet.
Die Sieges-Grenzstele des Sesostris III. aus dem nubischen Semna)
Denn wer nach einem Angriff schweigt, der bestärkt nur das Herz des Feindes. Losschlagen ist Tapferkeit, Rückzug ist Schande, und ein wahrer Feigling ist, wer sich von seiner Grenze verdrängen lässt. Denn der Nubier lauscht, um auf ein Wort zu fallen; ihm Antwort geben macht, dass er sich zurückzieht. Das sind keine Leute, vor denen man Respekt haben kann; es sind Elende mit zerbrochenen Herzen. Meine Majestät hat das (selbst) gesehen; es ist keine Lüge. Ich habe ihre Frauen erbeutet und ihre Leute weggeführt; ich bin zu ihren Brunnen gezogen [sie vergiftet] und habe ihr Vieh erschlagen; ich habe ihr Getreide ausgerissen und Feuer daran gelegt. So wahr mein Vater für mich lebt, ich spreche die Wahrheit! Kein Wort der Prahlerei ist über meine Lippen gekommen.‹ (Walter Wolf)
›Kandaken‹ – Die schwarzen Königinnen
›Am Anfang der Zeit erhob sich die Uräus-Schlange
– die Schlange der Macht – aus dem heiligen Berg Barkal im Sudan.
Sie war die Mutter aller Götter. Ihr versteinerter Körper wurde zum Wallfahrtsort.‹
»Aus der Spätzeit sind zwei Erscheinungen heraus zugreifen, die die hervorragende Stellung der Frau, speziell der Königin, erhellen. Es ist einmal die Bedeutung, die den Königinnen in der Dynastie der Äthiopen zuerkannt wurde. Als der König Aspelta im Tempel des Gottes Amun von Napata durch ein Orakel des Gottes zum König gewählt ist, wird sein Stammbaum, wohl als Zeichen seiner Legitimität angeführt. Nach der Nennung seiner Eltern folgen sechs Generationen, in denen jeweils nur die Töchter und ihre Mütter aufgeführt sind, also eine rein weibliche Genealogie. Auch später, als die Äthiopen ihr Reich am oberen Nil ohne Ägypten beherrschten, saßen auffällig häufig Königinnen auf dem Thron; das von den Römern (Strabo, Cassius Dio u.a.) als Eigenname aufgefasste Wort Kandake war ein Königinnentitel. Vielleicht ist es kein Zufall, dass wir in diesem südlichen Nachbarstaat, wenn auch in relativ später Zeit, die weibliche Herrschaft so ausgeprägt treffen. Es nährt den Verdacht, dass tatsächlich ein mutterrechliches Element hier bei nordostafrikanischen Völkern lebendig war und dass hierauf die vergleichbaren Erscheinungen der ägyptischen Kultur zurückzuführen sein können.« (Eberhard Otto ›Wesen und Wandel der ägyptischen Kultur‹ 1969, S. 60) »In der alten Stadt Naga – südlich der einstigen Regierungszentrale – forscht seit Jahrzehnten Dr. Karla Kroeper nach Überresten aus der Epoche der Kandaken. Die Archäologin vom Ägyptischen Museum Berlin versucht, ein Heiligtum aus der Spätzeit zu rekonstruieren. Es stellt sich als ein kompliziertes Puzzle heraus, zu dem noch viele Teile fehlen.« Sie stellt fest: »In Ägypten ist die Königin häufig in verschiedenen Größen dargestellt, wesentlich kleiner im Maßstab als der König. Die Königin hat eine zweitrangige Funktion. Im Sudan, mit afrikanischen Traditionen kann man auf jeden Fall etwas anderes erwarten, dies zeigen die Darstellungen in Naga. Auf den Darstellungen ist eine furchtlose Frau zu sehen, die den Feind erschlägt und einen Kampflöwen mit sich führt. Piotr Scholz geht davon aus, dass die Kandake während der 25. Dynastie und danach, in der napatanischen Epoche, die eigentliche Herrscherin war. Die ›Gottesgemahlin‹ und ›Hand Gottes‹ übte die reale politische Macht im Reich aus. Sie führte die Regierungsgeschäfte, bestimmte die Außenpolitik und zog an der Spitze des Heeres in die Schlacht.« (Siehe dazu ›Das matriarchale Königinnentum Ägyptens‹ : https://www.doriswolf.com/wp/das-matriarchale-konigtum-in-agypten-und-mesopotamien/)
Doch das alles gefällt Piotr O. Scholz ganz und gar nicht. »Eine umstrittene Theorie. Einigkeit herrscht nur darüber, dass die herausragende Stellung der Frauen von Kusch afrikanischen Ursprungs ist.« Der Ägyptologe und Theologe, zuständig für Klassische und Christliche Archäologie, Religionswissenschaften und Orientalistik empfindet es womöglich als Kränkung der patriarchalen männlichen Eitelkeit und versteigt sich in die vermessene Behauptung:
»Der König hingegen war als Sohn Gottes viel zu heilig,
um die alltäglichen Staatspflichten zu übernehmen.«
Links: Goldschmuck der Königin Amanischacheto
aus der Pyramide der Königin im Friedhof von Meroe (Ingolstadt Stadtmuseum)
»Ab dem 3. Jahrhundert vor u.Z. bildete sich rund um die aufstrebende Hauptstadt Meroe, 250 km nordöstlich des heutigen Khartums, ein selbstbewusster neuer Staat, der für sieben Jahrhunderte die Geschicke der Region bestimmte. Stark beeinflusst von afrikanischen Traditionen entwickelte sich hier unter der Führung Schwarzer Königinnen eine von Ägypten zunehmend unabhängige Hochkultur mit einem eigenen Schriftsystem: Meroe wurde zu einer weltoffenen, toleranten, multikulturellen und sehr wehrhaften Hochkultur. Besonders die Frauen hatten innerhalb dieser Gesellschaft eine starke Position. In der Rolle der Königin, als Kandake, hatten sie wesentlichen Einfluss auf alle politischen Entscheidungen. ›Sie waren ja nicht nur die Königinnen von Meroe, sie waren Kämpferinnen, sie waren Priesterinnen, sie waren Mütter, königliche Mütter mit sozialer Verantwortung‹, sagt Intisar S. Elzein, Dekanin an der Universität von Khartum.
Als Ägypten im Jahre 33 vor Christus vom römischen Imperium besetzt wurde, wollte sich die Kandake Amanishakheto nicht dem Kaiser Augustus unterwerfen. In zahllosen Scharmützeln zermürbte sie die immer wieder vorstoßenden römischen Legionen. Das mächtige Rom, unfähig, seine Südfront zu befrieden, schloss schließlich einen Friedensvertrag mit der Königin von Meroe. Schwarzafrika hatte nach drei Jahrtausenden seinen Stolz und seine Autonomie zurück gewonnen. Erst heute entdecken die Archäologen und Historiker die Bedeutung der matriarchalischen Gesellschaft Meroes für die Geschichte der Antike und des afrikanischen Kontinents. In der Steppe des nördlichen Sahels fanden sie prachtvolle Paläste und Tempel, beeindruckende Grab- und Grenzanlagen und das größte Pyramidenfeld der Erde. Woher bezog dieser Staat seine kulturelle Identität, seine Kraft und seinen Reichtum?
Seit dem Beginn der Forschung in den 1960er Jahren, haben die Wissenschaftler erst jetzt ein vollständigeres Bild der meroitischen Kultur. Obwohl die Schrift noch nicht übersetzt werden kann, enträtseln die Forscher langsam die Struktur von Religion, Staatswesen, Architektur und schwarzafrikanisch bestimmter Sozialsysteme. Neue Funde zeugen von einer vergessenen Kultur, deren Wurzeln bis tief hinein nach Afrika reichten.« (›Die Schwarzen Königinnen‹ Vergessenes Reich am Nil, Film von Dethlev Cordts und Nicola von Oppel)
»Von Herodot bis Dio Cassius, einer Zeitspanne von fast 800 Jahren, war Kandake der Name oder Titel der Erbkönigin von Nubien. Strabo beschreibt im Jahre sieben v.u.Z. die Kandake seiner Zeit, die er selbst gesehen hatte, als eher ›männliche Frau, auf einem Auge blind‹ (P.L. Shinnie ›Meroe‹ 1967, S. 46, zit. von Elizabeth Gould Davis ›Am Anfang war die Frau – Die neue Zivilisationsgeschichte aus weiblicher Sicht‹ 1987, S. 127 f.) »Er berichtet weiter, dass diese einäugige Königin eine Truppe von zehntausend Mann in eigener Person zum Kampf gegen den Gouverneur in Ägypten, Plubius Petronius, anführte. Kandake wird von Plinius dem Älteren um 62 u.Z. von Seneca erwähnt. Senecas Kandake ist zweifellos diejenige, die in der Apostelgeschichte erwähnt wird, als Philippus Bekehrung ›eines Eunuchen, einer berühmten Autorität, unter der Königin Kandake‹ besprochen wird.« (Gould Davis ibd.)
Der letzte Akt des nubischen Dramas
Der Schweizer Gelehrte und Fotograf Georg Gerster beklagt den letzten Akt des nubischen Dramas: die Deportation der nubischen Bevölkerung bedingt durch den Bau des Assuanstaudamms. Doch damit beschäftigten sich weder die Nationen noch die UNESCO. Die Rettung der Denkmäler des vergotteten Ramses hielt die Welt in Atem. Mit einem ungeheuren finanziellen Aufwand von Milliarden von Franken wurde ihr Standort versetzt, während von der Kultur und Eigenart des nubischen Volkes nicht einmal eine Bestandsaufnahme gemacht wurde. Gerster beschuldigt die UNESCO der Gleichgültigkeit gegenüber dem Volkstod der Nubier. »Dem Buchstaben ihrer Charta treuer als deren Geist, erklärte sie sich für unzuständig; sie könne sich unaufgefordert nicht mit den Angelegenheiten ihrer Mitgliedstaaten beschäftigen. Die Chance zu der letztmöglichen Aufnahme ist vertan. Nubien versank wie ein zweites Atlantis für immer im Stausee.« (Gerster ›Nubien Goldland am Nil‹ 1964, S. 221 f.)
Wie unglaublich unachtsam und unsensibel, geradezu verächtlich noch immer mit der nubischen Kultur umgegangen wird, zeigt auch der Ausstellungskatalog ›SUDAN – Antike Königreiche am Nil‹ 1996. Ein Gremium von Ägyptologen, Stiftern und Staatsbeamten unter der Ägide von Dietrich Wildung leistete sich einen unbeschreiblichen Fauxpas (›Eine Ausstellung des Institut du Monde Arabe und der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München‹). Nachdem die weißen, indoeuropäischen Pharaonen dieses Land während 2000 Jahren mit Kriegen, Versklavung, Unterdrückung und Beraubung heimgesucht hatten, ziert das Cover des Buches ausgerechnet der Porträtkopf eine weißen Mannes. Und das für eine Ausstellung die uns den schwarzafrikanischen Sudan vorstellen will. Geht es hier um Neokolonialismus, Rassismus oder schlichte Pietätlosigkeit gegenüber der schwarzen Bevölkerung Afrikas ? Die großartigen Fotos von Jürgen Liepe hätten genügend interessanteres Bildmaterial geboten, als dieser Kopf, von dem behauptet wird, er habe ›einen kleinen Mund mit wulstigen Lippen‹. Damit soll wohl ein ›weißer Neger‹ kreiert werden, so wie man immer versucht, uns beizubringen, Afrika war zwar von Schwarzen bevölkert, nicht aber Ägypten. Die Zeugnisse der weißen Oberschicht, die in dynastischer Zeit Ägypten beherrschte, sollen mit diesem unsauberen Trick indigenisiert werden.
P.S. 1997 wurde endlich das großartige nubische Museum in Assuan eröffnet. »Über 17 Jahre hat man von der Idee bis zur Eröffnung gebraucht. Neben dem Problem der Standortfindung gab es auch kulturelle Schwierigkeiten. Die Cairo Times schrieb, dass es für die Regierung sehr schmerzhaft war sich von der ›Ägypten-ist-ein-Volk-Rhetorik‹ zu trennen. Der Name ›Nubisches Museum‹ (Mathaf el Nuba) ist dem Einsatz der UNESCO zu verdanken. (!) Die Regierung in Kairo wollte den Namen ›Assuan Museum‹, um die Bedeutung dieses Museum zu verschleiern. Im Jahr 1997 stand dann endlich der Bau, im Wert von rund 18 Millionen Euro, mit 1200 Exponaten aus der nubischen Geschichte.« http://www.numibia.net/nubia/intro.htm; http://www.numibia.net/nubia/prehistory.htm<
In meinem Buch ›Der Kampf gegen Weisheit und Macht der matriarchalen Urkultur Ägyptens‹ 2009 finden Sie zu Nubien weitere Angaben auf den Seiten: 56, 66, 100, 111, 116, 127, 133 – 137, 163, 165, 173, 203, 230, 236, 325, 332
Gewalt, Grausamkeiten und Kriege der weißen Eroberer werden immer wieder den Menschen Afrikas unterstellt (s. Wie der Krieg in der Altsteinzeit erfunden wurde – Der jungpaläolithische Friedhof 117 von Jebel Sahaba in Nubien/Sudan)